Es gibt Produkte, die sind so ‚out‘, dass sie eigentlich wieder ‚in‘ sind. Müller Thurgau als Wein fällt mir da ein. Das Elsaß als Weinbauregion in der deutschen Wahrnehmung ist auch so ein ‚lost place‘. Oder Korn. Korn! Ja, genau jenes Getränk, welches gerne als ‚Herrengedeck‘ oder ‚Koote-Lang‘ (hier im Rheinland) in den 1960er/ 1970er Jahren in den Eckkneipen getrunken wurde. Obligatorisch mit Pils (Münsterland und der Norden), oder hier im Rheinland eben mit Kölsch. Korn war billig, sehr billig, da das sogenannte Branntweinmonopol in Deutschland den ‚Verschlussbrennereien‘ die komplette Produktion zu einem festen Preis aufkaufte. Und dann weiter veredelte und zu einem geringeren Preis in den Markt drückte. Subvention oder Beihilfe ist hier der richtige Terminus…
Das Ende der Beihilfe
In der Produktion bedeutete dies natürlich, dass nicht immer unbedingt der Fokus auf hohe Qualität gelegt wurde. Warum auch, die Abnahme war ja garantiert…
Bis zum 31.12.2017 durfte dieses System in Deutschland noch ‚Beihilfe‘ leisten (die Verschlussbrennereien wurden bereits 2013 vom Beihilfenetz genommen), danach war gemäß EU-Vereinbarung Schluss mit dem ‚Voll-Kasko‘-Brennen. In der Konsequenz haben etliche Betriebe aufgegeben, die Zahl der ‚Korn‘-Brenner schätzt Georg Glitz von der Brennerei Ehringhausen auf 40-50 deutschlandweit. Er und seine Schwester Theres hingegen haben 2016 den elterlichen Betrieb übernommen. ‚Korn kann mehr‘ – dieser Leitspruch hat die Beiden bei der ‚Generalüberholung des Produktes‘ angetrieben.
Der Korn ist tot – es lebe der Korn!
Wer jetzt, in 2021 also nur 5 Jahre später, die Produkte probiert würde gerne etwas Dampf aus der Brennblase nehmen. Das Qualitätsniveau ist derart hoch, das Gesamtpaket der Kollektion inkl. Verpackung und Liebe zum Detail genauso perfektionistisch wie warmherzig aufgestellt, das ‚viel mehr‘ eigentlich nicht geht. Ob übertrieben oder nicht: für meinen persönlichen Geschmack ist dieser Betrieb die Referenzadresse für Weizenbrände in Deutschland. Die Produkte sind von der Basis bis in die Spitze zu aller vorderst ‚blitzsauber‘. Nie sind chemische oder aggressive Noten, keine Fehlaromen oder sonstige Störer zu entdecken. Zudem sind die Produkte grundehrlich. Grundehrlich bedeutet: hier wird nicht gezuckert, colouriert und geschönt. Es werden nur Zutaten (bspw. die sog. ‚Botanicals‘ beim Gin) verwendet, die von ihrer Herkunft bereits so hochwertig sind, dass man sie auch im fertigen Produkt klar und sauber heraus riecht, heraus schmeckt.
Whiskey? Rum? Korn!
‚Korn kann mehr‘ – hier hat Georg Glitz wahrscheinlich die großen Vorbilder Whiskey und Rum vor Augen. Auch diese folgen ja zunächst dem Prinzip ‚irgendwas mit Zucker muss vergoren und anschliessend destilliert werden‘. Bei Rum ist es Melasse, beim Whiskey Gerste oder Hafer, Mais und Roggen. Und diesen ‚Gesetzen‘ muss auch die Brennerei Ehringhausen folgen: Mälzen von Dinkel, Roggen, Gerste & Co. um die Stärke in Zucker zu verwandeln. Maische herstellen, Hefe zusetzen, Gären lassen. Vergleichbar dem Wein, kann bei der Gärung vieles gut, vieles aber auch schlecht laufen. Und Fehlton bleibt Fehlton, das fliegt Einem beim Brennen doppelt-und-dreifach um die Ohren. Also muss Georg sehr auf die Qualität des Getreides achten, aber auch die richtige Hefe wählen. Fragt mal die Winzer: bei der Gärung hat jeder Bammel, schließlich kann man sich mit einer galoppierenden Gärung die ganze Arbeit eines Jahres komplett ruinieren.
Ab ins Lager!
Gerade bei Whiskey und Rum kommt dann der Prozess, der die Freaks in absolute Entzückung versetzt: die Lagerung! Holzart, Größe und Historie des Fasses, Dauer der Lagerung etc. haben einen immensen Einfluss auf das spätere Produkt. Häufig werden Fässer verwendet in denen zuvor Sherry, Port, Marsala oder etwa Calvados gelegen haben. Diese haben das Holz derart gesättigt und beeinflusst, dass diese Aromen bei der weiteren Nutzung an Whiskey, Rum – oder eben den Ehringhausener Korn abgegeben werden. In der Brennerei Ehringhausen reiht sich Fass an Fass, unterschiedliche Herkünfte, Historien, sozusagen ‚weltgereiste Holzdauben‘. So wie der ‚Affineur‘ seinen Käse reifen lässt, so lässt der Brenner seine Destillate reifen. Häufig jahrelang, so dass an ’schnelles Geld‘ als return-on-invest erstmal nicht zu denken ist
Wertvoll. Und das sieht man.
Spätestens jetzt müsste dem Leser klar geworden sein: mit dem ‚Billigprodukt‘ aus dem Herrengedeck hat das Sortiment von Theres und Georg Glitz-Ehringhausen nichts mehr gemein. Und genauso perfektionistisch wie Georg die Produktion steuert, genauso legt Theres Wert auf das ‚Drumherum‘. Perfekter Inhalt braucht eine perfekte Verpackung. Punkt.
Wir merken: wir sind inzwischen meilenweit vom ‚Bauernschnaps‘ des letzten Jahrtausend entfernt. Wir sind bei einem Produkt angelangt, dass sich komplett neu erfunden hat. Inspiriert durch die großen Spirituosen dieser Welt. Verbunden mit der tiefen Brennerei-Historie des Münsterlandes. Sich neu erfinden ohne kopieren oder anbiedern, diese große Kunst wird auf Ehringhausen bravourös zelebriert.