Weinseminar – so war’s: Grignolino (Piemont)

Das Piemont gehört zu den ganz großen italienischen Weinbauregionen. Barolo, Barbaresco, Barbera – die drei grossen ‘B’s sind international renommiert und bekannt. Im Piemont gibt es jedoch auch die kleinen Nischen, die unbekannten Appellationen und Rebsorten. Die Rebsorte Grignolino ist so ein Spezialfall, der sicherlich den Wenigsten jenseits der Anbaugebiete bekannt ist. Heimat des Grignolino ist das sogenannte ‘Basso Monferrato’, geografisch ein Dreieck aus Casale Monferrato im Norden, Asti südwestlich und Alessandria südöstlich. Knapp 900 Hektar sind noch kultiviert, Tendenz einigermaßen stabil. Problem: Grignolino als Rebsorte stellt höchste Ansprüche an den Standort, bevorzugt Topp-Lagen und gibt sich mitnichten mit einem Rübenacker zufrieden. Der Ertrag ist gering, laut DOC auf 7500-8000 Kilo/ Hektar begrenzt. Zum Vergleich: für Barolo sind ebenfalls 8000 Kilo zulässig. Unterschied: Barolo erzielt Erlöse, die den Aufwand erträglich gestalten. Grignolino hingegen wird häufig noch ‘sfuso’, also als lose Ware an die lokale Bevölkerung verkauft. Die Winzer wissen, dass der einizige Weg in eine rentable Zukunft der Flaschenweinverkauf sein kann bzw. muss. Das Weingut ‘Bricco Mondalino’ der Familie Gaudio hat bereits vor Jahren komplett auf den Flaschenweinverkauf umgestellt und schafft es inzwischen jährlich um die 15000 Flaschen zu verkaufen.
Grignolino als Rebsorte ist schon ein spezieller Geselle: dünne Beerenhäute mit wenig Farbstoff, dafür aber mächtig Kerne im Fruchtfleisch. So haben wir denn auch sehr helle Rotweine im Glas, die sehr an kräftige spanische Rosé erinnern. Im Mund kommt dann die volle Würze und Tannin-Dosis, wie wir sie eigentlich eher von Nebbiolo oder Sangiovese gewohnt sind. Das irritiert zunächst und erschüttert unser Weltbild. Wir müssen uns erst auf dieses vollkommen neue und ungewohnte Geschmacksbild einlassen. Doch nach dem 2. Schluck bzw. nach der 3. oder 4. degustierten Flasche wissen wir alle, wohin der Zug fährt. Auch wenn wir 12 unterschiedliche Weine/ Produzenten in der Probe haben, so ist die Charakteristik eindeutig zu erkennen. Natürlich unterscheiden die Weine sich untereinander schon, aber die Stilistik ist schon unverkennbar Grignolino. Die Gerbstoffe/ Tannine irritieren zu Beginn, jedoch werden die Weine mit Luft immer saftiger, eleganter. Das Tannin wirkt auch nie trocknend wie bspw. ein ‘ungehobeltes Holztannin’. Auch dies ist ‘common sense’ bei den Weinen und den Winzern: Grignolino taugt mitnichten für den Ausbau im Holzfass. Der Wein wird dadurch weder farbintensiver, noch weicher oder runder, vielmehr spröde und nichts sagend.
Gab es high-lights in der Probe? Hier sind die Geschmäcker natürlich unterschiedlich. Eindeutig ins Hintertreffen kamen jedoch die Weine, die die 14% Alk. gerissen haben. Das macht die Weine deutlich uncharmanter als jene Weine, die nur 13-13,5% Alk. aufwiesen. Natürlich keine Regel ohne Ausnahme: der ‘Altromondo’ von Hic et Nun: der einzige 2018er in der Probe und der einzige Wein mit 14%, der restlos überzeugen konnte. Dieser Wein war auch eindeutig weicher in den Gerbstoffen, sehr rund und saftig. Toller Wein, der sich aber in der Stilistik komplett von den anderen 11 Weinen unterschied. Spannende Frage: ist das die Zukunft des Grignolino oder eher ‘Verrat’ an seiner Typizität? Wir werden es mit Neugier weiter beobachten!
Der Grignolino der Gebrüder Pavia überraschte nicht nur durch sein sehr ausgewogenes Geschmacksbild, sondern auch mit einem Schraubverschluss! Auch wenn dieser technisch noch etwas optimiert werden muss (die Kapsel lies sich nur komplett abdrehen), so war der Wein ein wunderbarer Vertreter der Appelation. Mir persönlich hat auch der einzige Bio-Wein der Probe ausserordentlich gefallen: der Grignolino von Oreste Buzio gefiel aufgrund seiner subtilen Verschlossenheit und seiner Würze, die sich minütlich im Glas entwickelten. So wie dies häufig bei Bio-Weinen der Fall ist: etwas Zeit, etwas Muße sollte man mitbringen um die komplette Bandbreite dieser Weine erschnüffeln und erschmecken zu können.
Die Cascina Carlot scheint selbst Zweifel zu haben ob Grignolino eher Rotwein oder doch eher Rosé ist? Anders ist es nicht zu erklären, dass Winzer Claudio Mo als einziger Produzent Flaschen aus Klarglas verwendet hat :-)
Nach 12 Flaschen war es an der Zeit mittels eines ‘Piraten’, einer verdeckten Flasche, zu testen ob die Teilnehmenden auch einen gereiften Grignolino erkennen würden. Oder kommt der Wein doch von der Rhone? Oder ganz falsch: doch Italien, aber kein Grignolino? Ausgewählt hatte ich den 2014er Cerasuolo di Vittoria DOCG von Planeta. Dieser Wein eignet sich prächtig, weil die 60% Frappato-Trauben auch eher von ‘dünner Farbe’ sind. Da sorgen auch die 40% Nero d’Avola nicht mehr für einen tief-dunklen Farbton. Weiterhin wird auch dieser Wein komplett ohne Holzfass ausgebaut, puristisch und präzise nur Edelstahl gesehen. Der Wein präsentierte sich wunderbar würzig, leicht teerig, tief und vielschichtig. Der Vergleich mit einem Syrah von der südlichen Rhone drängte sich förmlich auf. So schwankten denn auch die Stimmen zwischen ‘Syrah von der Rhone’ und ‘vom Ätna’. Oder ist das doch ein gereifter Grignolino? Nimmt dieser Wein mit Reife eta leichte ‘Nebbiolo-Attidüdenan?
Wie’s auch sei: das gemeinsame Diskutieren, die fast schon detektivisch-kriminalistische Suche nach Spuren ist jedesmal wieder ein Heidenspass! Es gibt kein richtig oder falsch, der Lerneffekt und die Schulung der Sinne ist das Wichtigste! (Anmerkung: ich wäre ‘blind’ niemals auf Cerasuolo di Vittoria gekommen…)
Und Grignolino?
Für alle Teilnehmenden war es der absolut erste Kontakt mit der Rebsorte. Aus der anfänglichen Irritation wurde dann sehr schnell Wohlwollen bis Begeisterung bis hin zu ersten Plänen auf den kommenden Urlaubsreisen nach Italien mindestens einen Zwischenstopp im Monferrato zu machen.

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