Verschlusssache: wo ist der Kork geblieben?

 

Verrückt: von 14 Weinen in unserer #meinweinitalien Verkostung hatten gerade mal 2 Weine einen ‚echten‘ Naturkork. Plus: ein Nomacorc ‚Green Classic‘. Die breite Masse der ital. Produzenten hingegen vertraut auf en Zapfen der französischen Firma DIAM.

Der Nomarcorc ‚Green Classic‘ ist ein synthetisch hergestellter Verschluss auf Basis erneuerbarer pflanzlicher Polymere. So wie es verstanden habe, wird aus Zuckerrohr zunächst Bioethanol hergestellt, und aus diesem dann Biopolyethylen. Aus diesen Polymeren wird dann ein Strang gezogen, gestanzt usw. Optisch fast schon nicht mehr von einem Naturkork zu unterscheiden!
Der Hersteller wirbt damit, dass diese Verschlüsse bis zu 25 Jahre halten und je Green Classic ‚Kork‘ die Co2 Bilanz bei -2g liegt (weil nachwachsender Rohstoff). Bei Co2 Bilanzen bin ich ja immer etwas ‚grundskeptisch‘, da hier häufig komplizierte wenn-dann Bedingungen in die Berechnung eingehen. Hier scheint es aber sogar so zu sein, dass auch das ‚Recycling‘ in Form von ‚thermischem Recycling‘ (umgangssprachlich auch ‚Müllverbrennung‘ genannt) einbezogen wird. Ehrlich gesagt fehlt mir als Laie auch die Phantasie, wie diese Verschlussart auch sonst recycelt werden könnte. Selbst bei dieser Art des Recyclings wird immer noch mehr Co2 durch die ursprüngliche Pflanze gebunden, als nach der ‚finalen Nutzung‘ frei gesetzt wird. Werden die Polymere hingegen aus fossilen Stoffen wie Erdöl oder Erdgas gewonnen, so ist die Co2 Bilanz mit +12g je Verschluss deutlich negativer. Wer sich intensiver mit diesem Verschluss beschäftigen möchten, findet Infos auf der Herstellerseite ‚Vinventions

‚Kunststoffkorken‘ werden erwachsen!

‚Synthetische Verschlüsse‘ begleiten mich seit ca. 20 Jahren, inklusive aller ‚trial-and-error‘ Stufen. Ich gebe zu: diese Verschlüsse haben sich in den letzten Jahren gewaltig nach vorne entwickelt und sind erwachsen geworden. Sie sind sensorisch top, das Handling mit Korkenzieher und (wichtig!) Wiederverschließen klappt beim ‚Green Classic‘ einwandfrei. Der Green Classic ist bspw. im Bio-Weisswein ‚Incastro‘ von Torre Zambra/ Abruzzen verwendet.

Der Platzhirsch: DIAM

Auffallend: die Dominanz der DIAM-Korken (französischer Hersteller). Häugfig wird diese Korkart auch als ‚Konglomerat-Kork‘ bezeichnet. Ausgangsmaterial ist hierbei Naturkork von der Korkeiche, der finale Korken wird aber nicht aus einem Stück der Rinde ‚geschnitzt# (gestanzt). Verkürzt dargestellt, wird bei DIAM der Naturkork geerntet (Schälen der Rinde), getrocknet, fein gemahlen, gekocht und in einem weiteren Prozess mit hyperkritischem Kohlendioxyd gereinigt und neutralisiert. Damit soll eine nahezu perfekte sensorische Neutralität gewährleistet werden. Das ‚Mehl‘ wird dann in Form gezogen und ‚gebacken‘. Auch hier sagt der Hersteller: ‚hält über eine komplette Lebensdauer von Flaschenweinen‘. Somit sind diese Verschlüssen inzwischen auch für Weine geeignet, die der Lagerung bedürfen. Die früheren Konglomeratkorken waren eher was für die Schnelllebigkeit (Konsum innerhab von 1-2 Jahren).
Was ich sehr interessant finde: dadurch, dass die Produktion standardisiert ist, kann der Winzer mit einem verlässlichen Sauerstoffmanagement kalkulieren. Sprich: es gibt bei den Korken verschiedene Stufen der Durchlässigkeit. Manche Weine brauchen zur Reifung mehr Sauerstoff, andere weniger. Durch die Wahl des jeweiligen DIAM Korken kann dies somit aktiv gesteuert werden.
DIAM selbst wirbt damit 2,7 Mrd. (Milliarden!) Verschlüsse pro Jahr zu produzieren. Und wie der Querschnitt aus unserer Verkostung zeigt: die Weinbranche scheint diesem Verschluss stark zu vertrauen. Infos gibt es auch in deutscher Sprache auf der Herstellerseite

Ob die Verschlüsse wirklich das Optimum darstellen, können wir natürlich nicht beurteilen. Schliesslich lagen ja identische Weine mit alternativen Verschlüssen (Schrauber, Naturkork, Synthetik) nicht vor. Fakt ist: nicht ein einziger Wein hatte TCA-Korkschmecker, Muffton oder sensorisch wahrnehmbare Fehltöne. DAS kenne ich aus Zeiten, wo es nur Naturkork gab, auch anders: Quoten von 10-20% Fehltöne waren hier komplett ‚Alltag‘.

Aussterbende Spezie? Der Naturkork, hier beim ‚ Colle Maggio‘ Montepulciano d’Abuzzo DOC 2018 war bei unserer Verkostung deutlich in de Minderzahl.
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