Val de Loire: 800 km pure Vielfalt

Burgen und Schlösser, fast schon im Überfluss: so kennen viele Touristen die Loire. Wobei DIE Loire sprachlich so eindimensional klingt wie DER Rhein. Beide Flüsse sind ungefähr gleich lang (ca. 1000 km; der Rhein hierbei gerechnet ab Konstanz bis zur Mündung in Hoek van Holland) – und diese Länge impliziert zwangsläufig eine grandiose geologische und klimatische Vielfalt.
Nicht an jedem einzelnen Flusskilometer dieser beiden imposanten europäischen Flussströme wird Weinbau betrieben. Während am Rhein der Weinbau auf Schweizer Seite in St. Gallen beginnt und am Siebengebirge in Höhe von Bonn endet -und somit ca. 600 km ‘Flusslänge’ Weinbau bedeutet- sind es an der Loire knapp 80% des Flusslaufes (800 km), die mit Weinreben bestockt sind.
Die Quelle der Loire liegt im französischen Zentralmassiv im Departement Ardèche. Der Weinbau beginnt erst ab Roanne, es schliesst sich die wahrscheinlich international bekannteste Loire-Appellation ‘Sancerre’ mit ihren fulminanten Sauvignon Blanc an. Westlich von Orleans reihen sich dann bis zur Mündung in den Atlantik bei St. Nazaire Rebflächen an Rebflächen. Das Klima variiert hierbei entlang des Flusses von gemäßigt kontinental im Osten bis ozeanisch im Westen. Die meisten Weinberge befinden sich auf den steilen Hängen entlang des Flusses und seiner Nebenflüsse, jedoch geraten zunehmend auch die Appellationen im Hinterland in den Fokus.

60 Rebsorten – reduziert auf eine Handvoll ‘Klassiker’

Die wichtigsten Weißweinrebsorten an der Loire sind Sauvignon Blanc, Chenin Blanc und Melon de Bourgogne. Sauvignon Blanc wird hauptsächlich in Sancerre und Pouilly-Fumé angebaut und ergibt trockene, mineralische Weine mit einer charakteristischen ‘Loire-Säure’. Chenin Blanc wird in vielen Teilen der Loire angebaut und ergibt dabei Weine in einer Vielzahl von Stilen, von trocken bis süß, und von still bis ‘sprudelnd’ im Crèmant. Melon de Bourgogne ist die Hauptrebsorte für den ‘Muscadet’ und ergibt frische, leichte Weißweine, die oft mit Meeresfrüchten serviert werden.
Die wichtigsten roten Rebsorten der Loire sind Cabernet Franc, Pinot Noir und Gamay. Cabernet Franc wird hauptsächlich in Chinon, Bourgueil und Saumur-Champigny angebaut (reinsortig!) und ergibt fruchtige, würzige Rotweine mit einer ganz feinen Tanninstruktur. Pinot Noir finden wir häufiger in der Sancerre-Region, Gamay in der Touraine-Region östlich der Stadt Tours.

Crémant – der Kassenschlager

Der Crémant de Loire AOC ist eine Appellation d’ Origine Contrôlée (AOC) für Schaumweine der Loire, die seit 1975 existiert und verschiedene Weinanbaugebiete entlang des Flusses abdeckt. Der Crémant de Loire wird nach der traditionellen Methode ‘champenoise’ hergestellt, also exakt der Methode, die auch bei der Herstellung von Champagner angewendet wird. Die Hauptrebsorten, die für die Herstellung des Crémant de Loire verwendet werden, sind Chenin Blanc, Chardonnay, Cabernet Franc und Pinot Noir. Der Crémant de Loire hat sich als deutlich erschwinglichere Alternative zum Champagner in den letzten Jahren prächtig entwickelt und ist zweifellos das bedeutendste wirtschaftliche Standbein des Weinbaus an der Loire. Die Stilistik ist hierbei sehr abwechslungsreich, von trocken bis süß, und passt gut zu verschiedenen Speisen wie Fisch, Geflügel und leichten Desserts. In der Tendenz wirkt der Crémant etwas leichter und knackiger als Champus, werden doch die klassischen Champagner Sorten Chardonnay und Pinot Noir an der Loire nur gering verwendet. Insbesondere der Cabernet Franc mit seinen Noten von Johannisbeere, Himbeere und den leicht grünlichen Aromen setzt hier eine sehr interessante Note. Unbedingt die Rosé Crémant aus bzw. mit Cabernet Franc probieren: diese sind häufig ‘Sec’ oder ‘Trocken’, was aber laut Weingesetz eher eine restsüße Variante ist (bitte an dieser Stelle keine Diskussion über Irrungen und Wirrungen der Weingesetzgebung…). Dadurch, dass der Cabernet Franc sehr würzige Noten verleiht, werden diese Crémant als deutlich trockener empfunden, als es der Restzuckergehalt auf dem Papier vermuten lässt. Also bitte keine Angst haben, der ‘Sec’ könnte zu süß schmecken!

Quincy – mehr als nur eine Alternative zum Sancerre

Die AOP Quincy hat seit 1936 eine eigene Appellation und ist eine der vier Appellationen, die ausschließlich Sauvignon Blanc-Weine produzieren. Die Weinberge von Quincy erstrecken sich über eine Fläche von nur rund 240 Hektar und sind auf flachen Hängen des linken Ufers des Flusses Cher angelegt, sind also nicht wie in Sancerre direkt an den Hängen der Loire. Das Klima in der Region ist gemäßigt kontinental mit milden Wintern und warmen Sommern. Die Böden bestehen aus Sand und Kies, was den Weinen eine besondere Mineralität verleiht. Die berühmte (und deutlich teuere) Appellation Sancerre liegt ca. 30 km östlich entfernt. Die Weißweine von Quincy sind bekannt für ihre Frische, Fruchtigkeit und ihre mineralische Säure. Preislich ein absoluter Topp-Tipp!

Haut Poitou – der Neuling

Das Anbaugebiet Haut Poitou erstreckt sich über eine Fläche von rund 1.500 Hektar südlich der bekannten Anbaugebiete Saumur, Chinon und Anjou rund um die Stadt Poitiers. Streng genommen sind wir im Hinterland der Loire, ist doch der Flusslauf knapp 30 km entfernt. Die Weinberge von Haut Poitou sind auf flachen Hängen und Plateaus angelegt und haben ein gemäßigt kontinentales Klima mit milden Wintern und warmen Sommern. Die Böden der Region bestehen aus Kalkstein, Ton und Schiefer. Die Appellation d’Origine Contrôlée (AOC) Haut Poitou wurde erst 2011 gegründet und hat seither für einen enormen Qualitätsschub in der Region gesorgt. Neben den ‘üblichen’ Loire-Rebsorten wie Sauvignon Blanc, Cabernet Franc oder auch Gamay findet man hier auch den Sauvignon Gris. Diese Rebsorte ist eine Mutation der weissen Sorte Sauvignon Blanc. Deutlich dunklere Beerenhäute, die an Grauburgunder erinnern, sorgen für Farbnuancen in dem Weisswein, die je nach Jahrgang etwas Altrosa oder gelblich gold wirken. Die Weine sind in der Regel nicht so ‘grasig-grün’ wie ein Sauvignon Blanc und wirken dadurch milder. Unbedingt antesten!

Anjou

Das Anbaugebiet Anjou erstreckt sich über eine Fläche von rund 5.700 Hektar. Die Region liegt südwestlich von Angers und umfasst Gemeinden wie Saumur, Brissac und Bouchemaine. Eine der bekanntesten Weinspezialitäten aus der Region ist der Rosé d’Anjou, der aus verschiedenen Rebsorten wie Gamay, Cabernet Franc und Grolleau hergestellt wird. Der Rosé d’Anjou ist ein fruchtiger, leichter und erfrischender Wein, der oft als Aperitif oder zu leichten Gerichten wie Salate und Meeresfrüchte serviert wird. Er hat eine rosa Farbe und ein blumiges Bouquet mit Aromen von Erdbeeren und Himbeeren. Ein weiterer bekannter Rosé-Wein aus der Region ist der Cabernet d’Anjou, der reinsortig aus Cabernet Franc hergestellt wird. Der Wein hat eine leuchtend rosa Farbe und ist bekannt für seinen fruchtigen Geschmack mit Aromen von roten Beeren. Der Cabernet d’Anjou ist in der Regel halbtrocken und passt gut zu würzigen Gerichten, asiatischer Küche und Desserts. Auch hier gilt wieder: der erste Eindruck vermittelt fruchtige Süße, die Würze des Cabernet macht aber den Mund blitzsauber und lässt im Abgang die Süße komplett vergessen. Also der ‘halbtrockene’ Eindruck geht eigentlich mehr ins Trockene über… Ob jetzt Rosé d’Anjou oder Cabernet d’Anjou die Nase vorn hat, ist letztlich die berühmte ‘Geschmacksache’. Auf jeden Fall: das sind Rosé von unverwechselbarem, einzigartigen Charakter, die ich so nur von der Loire kenne!

‘Muscadet’ – der Klassiker zu Seafood

Muscadet Sevre-et-Maine ist eine Weinbauregion im westlichen Loiretal, nicht mehr fern des Atlantik. Die Region umfasst rund 11.000 Hektar Rebfläche südlich der Stadt Nantes. Der Muscadet Sevre-et-Maine ist ein Weißwein, der ausschließlich aus der Sorte ‘Melon de Bourgogne’ hergestellt wird, die nahezu exklusiv in dieser Region angebaut wird. Also nix ‘Muskateller’ oder so – der Wein heisst nur ‘Muscadet’, die weisse Sorte ‘Melon de Bourgogne’ ist aber nicht im Entferntesten verwandt mit irgendeiner Muskateller-Spielart. Vielmehr ist hier eine enge genetische Verwandtschaft zum weissen Burgunder bewiesen. Eine besondere Variante des Muscadet Sevre-et-Maine ist der Muscadet ‘Sur Lie’. ‘Sur Lie’ bedeutet wörtlich ‘auf der Hefe’, und bei der Herstellung des Muscadet Sur Lie wird der Wein nach der Gärung nicht sofort abgefüllt, sondern verbleibt bis mindestens März des Folgejahres nach der Lese auf der Feinhefe, die während der Gärung gebildet wurde. Dadurch wird der Wein intensiver und reicher im Geschmack und bekommt eine leichte Kohlensäure, die ihm eine besondere Frische verleiht. Der Wein wird oft als ‘die perfekte Ergänzung zu Meeresfrüchten’ bezeichnet. Gerade die ‘Sur Lie’ haben ein Alterungspotential, welches man nicht unterschätzen sollte!

‘Chenin Blanc’ – der hidden champion

Wenn es um große weisse Rebsorten geht, nennen ‘freakige Weinfreaks’ den Chardonnay, den Riesling – und Chenin Blanc! Eigentlich verrückt, ist diese Rebsorte doch nicht gerade weit verbreitet. In Südafrika hat sie ihre zweite Heimat gefunden, vereinzelt steht sie in ‘sonstigen’ Regionen Frankreich – und stark vertreten ist sie in Europa nur an ihrer Geburtsstätte, der Loire. Wobei in Südafrika fast doppelt so viel Chenin Blanc kultiviert wird wie in Frankreich, dies mal zur relativen Einordnung. De facto ist Chenin Blanc eine ‘Zicke’, fast schon egal, wie das Wetter ist – die Rebsorte ist pilzanfällig und neigt zur Schimmelbildung. Hat der Winzer sie durch den Jahrgang gebracht, dann stehen sensorisch fast alle Türen offen. Prägend ist eine tragende Säure (vergleichbar dem Riesling…), prägend ist eine Anfälligkeit für Edelfäule/ Botrytis (vergleichbar dem Riesling…), nur die Aromatik ist deutlich unterschiedlich zum Riesling: weniger Pfirsich oder exotische Frucht, mehr Kernobst, mehr würzige Noten. Ungemein alterungsfähig ist Chenin, aufgrund ihrer Frische und der knackigen Säure natürlich gern gesehen im Crémant. Den Ausbau im Holz bzw. sogar im kleinen Barrique verträgt sie prächtig. Absolute Königin ist die Chenin an der Loire in der AOP Vouvray östlich von Tours. Hier ist sie die einzige zugelassene Rebsorte, egal ob im Schaumwein, als trockener Wein oder aber auch als restsüße Spielart. Nicht wenige sehr interessante Chenin kommen jedoch auch aus dem Gebiet Anjou, hier sind insbesondere die ‘Villages’ zu erwähnen.

Die Loire kann auch rot!

Ist die Loire nur weiss? In der Wahrnehmung überwiegen sicherlich die Weissweine. Doch aufgepasst: die ‘rote Loire’ wartet mit der Spezialität Cabernet Franc auf! Wichtig: bitte nicht Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc gleichsetzen! Das ist wie ein Paar Schuhe, sehen ähnlich aus, doch sollte man den linken und den rechten Schuh im Alltag tunlichst nicht verwechseln… Während ‘CS’ häufig deutlich mit Noten von Cassis und Paprika um sich schlägt, mächtige Gerbstoffe beisteuert, mag es der ‘CF’ eine deutliche Spur dezenter, man könnte auch sagen: eleganter.
Wer noch nie sortenreinen Cabernet Franc probiert hat, der sollte ein Auge auf die mittlere Loire zwischen Saumur und Tours werfen! In den AOP Saumur Champigny und ganz besonders in der AOP St. Nicolas de Bourgeuil werden unheimlich originelle Rotweine produziert. Klimatisch reifen die Rotweine nicht unbedingt zu ‘Granaten’ heran; ein Ausbau im Holzfass macht daher häufig keinen Sinn. Und gerade das macht den Charme aus: Cabernet Franc, ‘ungeschminkt’ im Edelstahltank ausgebaut, kann hier unverfälscht die Bodenstruktur (Kalk, Kiesel) interpretieren. Die Weine sind von herrlicher Leichtigkeit, dabei niemals banal. Häufig ist im Abgang eine leicht kräuterwürzige Note zu erschmecken, die an Thymian oder Piniennadeln erinnert. Gerne dürfen diese Weine auch ganz leicht gekühlt bei 14-15° getrunken werden, um die Gerbstoffe etwas zu verstärken. Sehr trinkige Weine, die auch den Beinnamen ‘La redemande’ tragen: davon soll man gerne das 2. Glas trinken, also ‘nachbestellen’…

Unsere Weine von der Loire

Crémant Blanc Saumur AOP Brut | Chateau du Montgueret | € 12,90
-Chardonnay trifft auf Chenin Blanc. 18 Monate Hefelager, ganz feines Mousseux-

Crémant Rosé Saumur AOP Sec | Chateau du Montgueret | € 12,90
-Cabernet Franc als Rosé vinifiziert mit dezenter Restsüße und herrlicher Frische. Fast schon einzigartig.

Quincy AOP 2021 | Domaine Philippe Portier | € 13,90
-blitzfeiner Sauvignon Blanc mit wunderbaren Zitrusnoten und Cremigkeit der Feinhefe. Da zahlt man in Sancerre schnell das Doppelte…-

Sauvignon Gris Haut Poitou AOP 2021 | Sauvion | € 9,90
– nicht so ‘grasig’ wie ein Sauvignon Blanc, super trinkig mit einer formidablen Frische-

‘Haut Coulture’ Muscadet Sevre-et-Maine ‘sur Lie’ AOP 2021 | Chateau du Montgueret | € 10,90
-der Klassiker von der westlichen Loire aus der Rebsorte Melon de Bourgogne und langem Hefelager. Must have zu sea food!-

‘La Chapelle’ Anjou Villages AOP 2019 | Chateau Fesles | € 11,90
-reinsortiger Chenin Blanc mit ganz viel Charakter. Kein Leichtgewicht. Im FALSTAFF mit 93 Punkten bewertet.-

Rosé d’Anjou AOP 2021 | Chateau Fesles | € 10,90
-Rosé aus Cabernet Franc und Grolleau, nicht komplett trocken, aber herrlich würzig. Originell & lecker.-

Cabernet d’Anjou Rosé AOP 2021 | Chateau Fesles | € 10,90
-die Variante als reinsortiger CF, etwas würziger. Welcher ist besser? Gute Frage…-

Cabernet Franc Saumur-Champigny AOP 2021 | Vignoble Daheullier | € 10,90
-reinsortiger Cabernet Franc (Bio), nur im Edelstahltank ausgebaut. Mildes Tannin, super elegant, am Besten leicht gekühlt geniessen.-

 

 

 

 

 

 

Vorheriger Beitrag
Olivenöl: Guccione aus Sizilien
Nächster Beitrag
Rosé – nur ein Modetrend?