Sind Roséweine nur ein ‚hipper Lifestyle-Trend‘ – oder eine große Bereicherung der Weinwelt? Sagen wir mal so: wenn 90% der gesamten Weinproduktion der französischen Provençe auf die Kategorie ‚Rosé‘ entfallen, und diese Weine zu zweistelligen €-Preisen Jahr-für-Jahr konsequent ihre Abnehmer finden, dann muss an diesem ‚Mythos‘ schon etwas dran sein.
Ist es nur geschickte Vermarktung, oder steckt mehr dahinter? Diese Frage scheint nicht nur mich zu interessieren. Bei der diesjährigen Fachmesse ‚Prowein‘ gab es eine eigene Präsentationsfläche des Konsortiums, gefühlt konnten dort knapp 200 verschiedene Provençe-Rosé probiert werden. Eine Akkreditierung war notwendig – und zugleich die große Überraschung für mich: ca. die Hälfte der ‚Neugierigen‘ waren Winzer bzw. Önologen, die einfach wissen wollten ‚wie machen die das eigentlich?‘ Was an diesen Weinen ist so besonders oder anders, dass sie derartige Verkaufspreise erzielen können, rasch ausverkauft sind und nahezu bis in den hinterletzten Winkel dieser Erde vertrieben werden?
Die Alleinstellungsmerkmale:
- Die Farbe
Das zärtliche Korall-Rosa ist unzweifelhaft der erste, sichere Hinweis ‚Achtung – hier kommt die Provençe!‘
Blass, zärtlich, wunderschön. Nein, das Kirschrot, welches noch vor einigen Jahren bei Rosé-Weinen dieser Welt modern war, ist inzwischen komplett out. Die kräftige Farbe sollte Power und Kraft symbolisieren, die Weine näher an den Rotwein rücken, um so eine höhere Akzeptanz zu wecken. Hat nicht funktioniert. Die Kundschaft möchte das zärtliche Rosa, weil es ist die farbliche Symbolik für… - Die Frische
Hier scheinen die Franzosen ganze Arbeit geleistet zu haben – nicht nur für mich sind diese Vertreter der Inbegriff von Frische. Hier stimmen Säure, Würze, kräuterige Aromatik, Salzigkeit. Und dennoch sind diese Weine niemals ‚labberig‘ oder wässerig. Sie sind nie dünn oder banal. Ihre Frucht ist nie ‚überreif‘ oder suggeriert Süße. DAS muss man erst mal unter dem Aspekt der zunehmend warmen Klimaverläufe hin bekommen. Wie machen die das bloss? - Know-how und Marketing
Weinbau wird in der Provençe bereits seit den antiken Griechen betrieben. Sie waren es, die die Hafenstadt ‚Massala‘ (Marseille) gründeten und so den Weinbau in der Provençe de facto ‚anlandeten‘. Ich vermute mal stark: zu der Zeit war Rosé noch nicht unbedingt das Kompetenz-Thema. Im Grunde war die Provençe bis nach dem 2. Weltkrieg ‚armes Bauernland‘. Erst der Tourismus, der Jet-set an der Côte d’Azur, die Filmfestspiele in Cannes, die Nähe zu Nizza und Monaco haben für den wirtschaftlichen Aufschwung gesorgt – und mit ihm der Erfolg des Rosé. Immer edler das Getränk, immer verrückter die Flaschenformen und -gestaltung. Vorläufiger Höhepunkt der Vermarktung sicherlich das Projekt ‚Miraval‘ mit der PR-Lawine rund um Angelina Jolie und Prad Pitt.
Diese drei Faktoren sorgen dafür, dass die Kategorie ‚Rosé aus der Provençe‘ weiterhin ungebrochen die weltweite Aufmerksamkeit erfährt. Knapp 200 Mio. Flaschen per anno werden jährlich produziert UND tatsächlich erfolgreich verkauft. Doch wie sieht es in den anderen Regionen aus? Vorweg jedoch die Einschätzung nach ca. 80-100 probierten Rosé am Provençe-Stand: Zunächst die gute Nachricht – der Preis sagt nichts über die Qualität aus. Die günstigsten Weine beginnen bei einem Importeur-Preis je Flasche von ca. 6 Euro. Ab Weingut, also zzgl. Transport. Auch über 20 Euro die Flasche gibt es eine Kategorie, die ich mitnichten als ‚Einzelfälle‘ bezeichnen würde. In dieser Kategorie findet man auch die individuellsten Gestaltungsformen was Flasche und Design angeht. Hier würde es mich nicht wundern, wenn sich diese ‚Trockenkosten‘ (unsere Sprache für all‘ das, was sich neben der ’nassen Ware‘, also dem Wein abspielt) schon bei 5 Euro die Flasche liegen würden. Vollkommen verrückt… Nur schützen auch die teuersten ‚Trockenkosten‘ nicht davor, dass die Weine teilweise sensorisch nicht überzeugender waren als die Vertreter aus den günstigeren Kategorien.
Die Stilistik in der Provençe – besonders?
Schauen wir uns zunächst mal die Traubensorten an: Syrah, Grenache Carignan – alles Trauben, die wir auch aus anderen Regionen Frankreichs kennen, insbesondere von der Côte du Rhone bzw. aus dem westlichen Mittelmeerabschnitt, dem Languedoc-Roussillon. Bei der Côte du Rhone bekomme nicht nur ich Sorgenfalten: klimatisch sehe ich das Rhone-Tal als extrem gefährdet. Die heisse Luft zieht vom Mittelmeer durch das sich verjüngende Rhone-Delta wie bei einem ‚Kaminbrand‘ Richtung Montelimar/ Valence und hinterlässt quasi ‚verbrannte Erde‘. Wer die Fachpresse aufmerksam verfolgt: die Zukunft des Weinbaus an der Rhone wird gerade intensiv diskutiert!
Und wie sieht es im Languedoc-Roussillion bzw. im Anbaugebiet ‚Pays d’Oc‘ (ab der Camargue westlich bis zur spanischen Grenze) aus? Auch hier finden wir Syrah, Grenache, Cinsault, Carignan – also ’same procedure‘ wie in der Provençe. Fast. Denn es gibt einen kleinen, feinen Unterschied der m.E. den großen Erfolg der Provençe Rosé ebnet: in der Provençe sind die weissen Sorten Rolle (= Vermentino), Ugni Blanc und auch Semillion Blanc zugelassen. Somit haben wir hier einen Rosé aus roten UND weissen Trauben. Die weissen Sorten verleihen ungemein viel Frische, insbesondere wenn sie früh gelesen werden. Sie puffern die Aromen der roten Sorten, verleihen eine zitrische Frische, betonen die kräuterige Würze und tragen die durchaus kräftigen Weine in ein erfrischendes und elegantes Finale. Toll. Einzigartig.
Im Vergleich nehme ich mal den Bio-Rosé aus Corbières von Chateau de Fournas. Vorweg: toller Wein! Aus Syrah, Grenache und etwas Mourvèdre. Bums ohne Ende. Was fehlt? Die weissen Sorten der Provençe, die für Frische sorgen und etwas ‚Bums‘ puffern. Wie erwähnt: ein toller Rosé!
Der Stein, der rostet.
Nun hat die Provençe nicht nur die weissen Sorten als Ass im Ärmel: ergänzend ist die Geologie der Böden komplett unterschiedlich. Zwar finden wir auch hier viel ‚helles Gesteins‘, jedoch scheint dieser helle Stein häufig förmlich zu ‚rosten‘. Ab dem Gebiet Luberon (administrativ zwar ‚Provençe‘, jedoch nicht vom Weingesetz her!) südöstlich des Mont Ventoux beginnen diese pittoresken ‚rostigen‘ Kalk- und Granitformationen. Wunderbar anzuschauen die steilen orange-roten Felsabbruchkanten östlich von Aix-en-Provence in der Subzone ‚Saint Victoire‘ rund um den Ort Châteauneuf-le-Rouge (Domaine de la Galinière).
Alles auf ein Pferd setzen?
Die Rosé aus der Provençe sind einzigartig – und für mich auch ihr Geld wert (sofern man nicht in die Kategorie ‚tolles Produkt des Marketings‘ abrutscht). Vergleichbar originelle Rosé finde ich noch am Garda-See im Bardolino Chiaretto. Zugleich muss man bei der Preisdiskussion auch beachten: Angebot und Nachfrage regeln den Preis – und aktuell gibt es nicht das geringste Indiz dafür, dass die ca. 200 Mio Flaschen Provençe-Rose schwer verkäuflich wären, im Gegenteil. Auch darf nicht vergessen werden: die Winzer setzen ‚all in‘ auf diese Stilistik, produzieren nur ganz wenig Rotwein. Und gerade Rotwein ist häufig als der ‚teure‘ Wein im Sortiment eines Winzers dafür zuständig, dass die Mischkalkulation stimmt. Diese Option fehlt den Weingütern. Nicht zu vergessen auch: Roséweine in der perfekten Konstellation aus (blasser) Farbe und (vollmundigem) Geschmack zu erzeugen ist kein easy-going. Rosé verzeiht keine Fehler in der Weinbereitung. Also für mich ganz klares Veto pro Provençe! Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass sonst in Frankreich kein gescheiter Rosé produziert würde! Das Pays d’Oc auch immer einen Schluck wert! Ähnlich wie Provençe und doch anders. Korsika: hat man selten bis nie auf dem ‚Schirm‘. Kein Syrah, kein Grenache, sehr häufig italienische Sorten wie Nielluccio oder Sciacarellu. Die Weine sind häufig etwas rauher, nicht auf Perfektion gebürstet. Und gerade DAS macht ihren Charme aus. Man könnte sagen: so rauh und wild wie Land & Leute, so auch die Weine.
Kompletter ‚Stilbruch‘ hingegen an der Loire. Hier sind wir nicht mehr im Süden, kein Syrah, kein Grenache. Cabernet Franc, Groulleau und auch der Gamay sind hier die Protagonisten. Das deutlich ‚atlantischere‘ Klima sorgt für tolle Säure und Frische in den Weinen, die als Rosé d’Anjou und Cabernet d’Anjou wunderbar mit der leichten Restsüße klar kommen. Ganz andere, unverwechselbare Stilistik, die ich aber mitnichten missen möchte!
Unsere aktuelle Vielfalt an Rosé aus Frankreich:
- AOP Bandol | Domaine de La Garenne 2021 | € 14,90
- AOP Cotes des Provences | Domaine de la Rouviere 2021 | € 10,90
- AOP Cotes des Provences | Domaine de la Galinière 2022 | € 11,90
- AOP Cotes des Provences Sant Victoire | Domaine de la Galinière 2022 | € 13,90
- AOP Coteaux d’Aix-en-Provence | Fleurs de Prairie 2022 | € 10,90
- AOP Corbières | Chateau de Fournas 2021 | € 9,90
- AOP Vin de Corse | Domaine Mielino 2021 | € 8,90
- AOP Luberon | Sans Pretention 2021 | € 8,90
- AOP Cabernet d’Anjou | Chateau de Fesles 2021 | € 10,90
- AOP Rosé d‘ Anjou | Chaeau de Fesles 2021 | € 10,90