Muscadet – eine Mogelpackung?

Es gibt einen französischen Wein, der bei manchen Weintrinkern für Verwunderung sorgt. Gemeint ist ein Weisswein von der westlichen Loire: der ‚Muscadet Sevre-et-Maine AOC“. Die Verwunderung liegt häufig darin begründet, dass nicht Wenige bei dem Begriff ‚Muscadet‘ automatisch an die Rebsorte Muskateller (Moscato, Muscat, Moscadello etc…) denken. Und gedanklich ist bereits ein Korb voller exotischer Früchte im Gehirn verankert. Möglicherweise ist auch noch das Attribut ‚fruchtig‘ oder ‚fruchtsüß‘ mit in der Erwartungshaltung. Doch dann kommt die große Verwunderung, bis hin zur Enttäuschung: ‚Muscadet‘ ist nicht nur unfruchtig, sondern auch noch furztrocken. Was ist hier bloß schief gelaufen? Die Begründung ist eigentlich einfach, für den Konsumenten aber nicht sofort ersichtlich: die verwendete Rebsorte stammt nicht im geringsten aus der Muskateller-Familie.

Melon de Bourgogne – eine historische Sorte aus dem Burgund

Ja, man hat es wirklich nicht immer (Korrektur: fast nie) leicht mit den Feinheiten im weltweiten Weingesetz. Tausende von Appellationen mit ihrern ganz eigenen, of sehr lokalen Eigenarten. Ein Paradebeispiel ist hierbei in meinen Augen die AOC (Appellation d‘ Origin Controlée) ‚Muscadet Sevre-et-Maine‘ südwestlich der Stadt Nantes. Bereits seit dem 16. Jahrhundert wird hier die Sorte ‚Melon de Bourgogne‘ kultiviert. Diese wiederum stammt originär aus dem Burgund und ist eine natürliche Kreuzung aus Pinot Blamc und Gouais Blanc – so die letzten DNA-Untersuchungen aus dem Jahre 2013. Im Burgund musste die Rebsorte Platz machen für Chardonnay und Pinot Noir – und nur an der westlichen Loire wird sie noch nennenswert angebaut. Woher diese Rebsorte dann den Namen ‚Muscat‘ erlangt hat, ist gänzlich ungeklärt. Man dichtet ihr Aromen an, die an Muskatnuss erinnern sollen – was ich aber in meiner beruflichen Laufbahn noch nie in diesen Weinen entdeckt habe. Die Rebsorte ist eher ‚geizig‘ was Aromen angeht: ich erkenne hier immer eine dezente Zitrusfrische, leichte Limette oder Zitronengras. Richtig interesannt werde diese Weine für meinen Geschmack erst dann, wenn sie auf der Hefe liegen.

‚Sur lie‘ – einfach mal liegenbleiben!

Der Zusatz ‚Sur lie‘ beim Muscadet beschreibt eine längere Lagerung auf der Feinhefe. Feinhefe ist vereinfacht ausgedrückt die abgestorbene Hefe, die nach der Gärung als Trubstoff irgendwann im Gärtank zu Bodensatz absinkt. Man kann die Hefe bewusst noch einmal aufrühren und gewinnt so sensorisch eine gewisse ‚Brotigkeit‘. Vielleicht erinnert auch Sie der Ton an ein Baguette aus Sauerteig? Dieses Hefelager verleiht zudem Körper und eine gewisse Cremigkeit, gibt Struktur und Eleganz, macht die Weine stabiler und alterungsfähiger. Was die Feinhefe aber auch macht: sie wirkt ‚reduktiv‘. Dies bedeutet, dass sie fruchtige Noten eher unterbindet. Und somit wären wir auch schon beim idealen Einsatzgebiet eines ‚Muscadet Sevre et Maine ‚Sur lie‘: es sind geniale Speisenbegleiter! Eine wunderbar knackige Frische, ein cremiges Mundgefühl, dezente Fruchtigkeit – was will man mehr zu Fisch und Seafood, wie es dieses nun mal in Hülle und Fülle hier unweit des Atlantiks gibt?! Wunderbar auch dieser animierende Speichelfluss, den ein Muscadet erzeugt. Eher kein lauter oder aufdringlicher Wein, kein Grauburgunder, den man in der Mittagssonne auf der Terrasse ‚zischt‘. Eher schon aristokratische, elegante Attitüden. Und nicht selten haben wir in unseren Proben das Urteil gehört ‚Der ist aber fein & elegant, mal etwas komplett anderes!‘

Chateau du Cleray ‚Muscadet Sevre et Maine ‚Sur lie‘ AOC 2021

Zur ‚Maison Sauvion‘ gehört auch das historische Chateau de Cleray mit den Weinbergen rund um den Ort Vallet (ca. 15 km südöstlich der Stadt Nantes). Die Böden sind sehr kalkhaltig, teilweise von Schiefer durchzogen, welches ich sensorisch stets als eine gewisse ‚Salzigkeit‘ des Weines wahrnehme. 2021 war ein sehr guter, sehr klassischer Jahrgang mit einer langen Reife bis in den Herbst. Nach der Gärung verblieb der Wein 6 Monate auf der Feinhefe. Für meinen Geschmack zeigen diese Weine meist erst nach 2-3 Jahren ihr Potential – und sind dabei nahezu nicht kaputt zu kriegen: geniales Reifepotential! Aktuell wunderbare Zitrusaromen, eine feine Frische und mit Belüftung im Glas diese Mundfülle. Unbedingt Ausprobieren! Und idealerweise einfach mal ein paar Flaschen mehr bunkern und ‚Liegen lassen‘. (Preis je 750ml Flasche € 10,90)

Peter Moser urteilte im FALSTAFF 2019 Helles Strohgelb, Silberreflexe. Feine Nuancen von gelber Tropenfrucht, ein Hauch von Mandarinenzesten und Blütenhonig, ein Hauch von Physalis. Elegant, weiße Pfirsichfrucht, angenehme frische Säurestruktur, mineralisch, leichtfüßig und doch gut anhaftend, zart salzige Noten im Nachhall.

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