Sie ist feste Tradition im Kalender von Winzern und Händlern: die Weinmesse ‚Prowein‘ in Düsseldorf. Möglicherweise ist sie sogar der ‚Urvater‘ der großen Weinmessen, feiert se doch im kommenden Jahr 2024 das 30-jährige Bestehen. Was 1994 klein und überschaubar in der Messe Düsseldorf unweit des Airports begann, ist heute richtiges ‚big business‘. Und hieran scheiden sich dann auch die Geister: zu groß, zu teuer, zu wenig effektiv sind einige der Kritikpunkte. Und in der Tat: mehrere Tausend Aussteller (die Zahlen schwanken um die 6.000!) buhlen an nur 2-3 Tagen Messetätigkeit um BesucherInnen. Erschwerend kommt hinzu, dass es ein perfektes Rahmenprogramm mit Veranstaltungen und moderieren Verkostungen gibt, so dass man rein theoretisch an allen drei Tagen rund um die Uhr ‚Infotainment‘ zum Thema Wein konsumieren kann, ohne auch nur einen einzigen Winzer an seinem Stand besuchen zu müssen. Doch auf der anderen Seite ist es gerade diese Professionalität, die diese Messe für viele Beteiligte unverzichtbar macht. Und gerade für kleinere Weinbaunationen ist es DIE Gelegenheit sich einem internationalen Publikum zu präsentieren. Mir ist keine andere Weinmesse bekannt, die derart international aufgestellt ist, wie die Prowein. Eine WineParis ist überwiegend französisch geprägt, eine VinItaly italienisch. Dort findet man keine Produzenten aus Kalifornien, Brasilien, Rumänien, der Türkei usw. usw. Und gerade für kleinere, aufstrebenden Nationen wie bspw. die Republik Moldau oder Georgien ist es die Gelegenheit Präsenz zu zeigen, Aufmerksamkeit zu gewinnen und die Marktfähigkeit auf internationalen Märkten aus zu loten.
Sind Präsenzmessen noch zeitgemäß?
Das Jahr 1 nach Corona (in 2022 gab es im Mai eine ‚abgespeckte‘ Prowein der ausgefallenen 2021er Edition) kann sicher als Lackmus-Test für diese Messe bezeichnet werden. Weniger Aussteller, weniger Besucher, sind zunächst einmal Fakten die auf der Messe lasten. Jedoch waren nicht wenige Stände und Veranstaltungen derart gut frequentiert, dass man sich schwerlich vorstellen kann wie ein derartiger intensiver Austausch online oder hybrid stattfinden könnte. Allein die Möglichkeit in Verkostungszonen spontan und ungestört Themen und Themenwelten kennen zu lernen ist für mich unfassbar wichtig
Ein großer Gewinn: die Tastingzonen
Seit einigen Jahren zunehmend sind die Verkostungszonen. Verbände oder Fachzeitschriften präsentieren hier bestimmte Themen oder aber eine Auswahl prämierter Weine. So bietet sich de Möglichkeit bspw. im high-speed Tempo durch ein Weinland oder eine Appellation zu pflügen. Das hört sich unromantisch und genussfeindlich an, aber leider ist dies nun mal unser Job. Wenn der Verband Côte de Provençe rund 80 Rosé zur Verkostung anstellt, dann ist das schon eine ideale Möglichkeit sich über das Qualitätsniveau zu informieren, Trends und Stilistiken zu erkennen und ‚Gutes von Bösem‘ zu trennen. Nicht selten sind die Betriebe dann auch mit (kleinen) Ständen auf der Messe vertreten so dass bei Entdecken eines Produktes der intensivierende Kontakt (‚wie seht das gesamte Portfolio aus?‘) folgen kann
…wenn denn die Kosten nicht wären…
Viele Aussteller (und Besucher) ächzen unter den Kosten. Es ist ja nicht nur mit der Standmiete getan: Messebau, Übernachtungen, Bewirtungskosten, Personal, Rahmenprogramm. Das Marketing nicht zu vergessen: wer einer unter 6.000 Ausstellern ist, muss sich jenseits der reinen Standmiete strecken, um überhaupt in eine Wahrnehmbarkeit der Besucher zu gelangen. Das ist für viele kleinere Betriebe eine immense Herausforderung, die sicherlich abschreckt. Mein klarer Tipp: Gemeinschaftsstände, Kooperationen eingehen, sich gegenseitig unterstützen. Die Angst ablegen, mein Standnachbar könnte ein Krümmel (oder gar ein ganzes Stück…) vom begehrten Kuchen abbekommen. Warum nicht positiv denken: womöglich bringt mir der Standnachbar sogar neue Kundschaft? Im Großen denken: es ist eine internationale Messe mit internationalen Einkäufern – da geht es meines Erachtens auch darum zunächst einmal die Aufmerksamkeit für eine bestimmte Region oder Appellation zu erzeugen. Für die Südpfalz. Für die Saar. Für den Vino Nobile aus Montepulciano. Für Weissweine von der Loire usw. usw. Die Erwartung, nach einer Messe mit vollen Auftragsbüchern nach Hause zu reisen, ist meiner Ansicht nach zu idealistisch. Ich sehe dies ja an meinem eigenen Einkaufsverhalten: nicht selten ergeben sich Einkäufe erst im Laufe des Jahres oder gar im Folgejahr.
Verfluchter Segen!
Die Kosten sind schon ein wirklich drückendes Thema im Schuh. Hier sollten m.E. nicht nur die Messegesellschaft, sondern auch Übernachtungs- und Gastronomiebetriebe scharf darüber nachdenken, ob ihre ‚Messetarife‘ zeitgemäß sind. Irgendwann ist die Kuh Tod gemolken…
Gerade jetzt sehe ich ein großes Fragezeichen hinter dem reinen ‚Digitalsierungshype‘: die Kanäle sind dermaßen überfrachtet, der information-overload derart ermüdend, dass 6000 Aussteller auf einer Messe schon fast ‚überschaubar‘ wirken. Seien wir ehrlich: der permanente Aufruf ‚content‘ zu produzieren, sich zu inszenieren oder inszenieren zu lassen (Influencer) entpuppt sich m.E. zunehmend als eine temporäre Erscheinung. Eine Messe Düsseldorf präsentiert im März 2024 die 30. Edition der Prowein. Ob Facebook, Instagram, TikTok und Co. ihren 30. Geburtstag jemals erleben werden? Ich bin gespannt.
Ach ja: natürlich steht der 12. bis 14. März 2024 schon fett in meinem Kalender. See you next year, Dusseldorf.
P.S. die Bratwurst kostet schlappe € 7,00. Bitte, bitte liebe ausländische Besucher: this is not a tipical German ‚Bratwurst‘. Never ever!