NEU: Weine aus dem Pays d’Oc – Anne de Joyeuse und Luc Pirlet

Werde ich auf meine alten Tagen noch zum Südwest-Franzosen?!? Gut möglich! Das, was ich an Weinen aus der Region zwischen der Camargue im Osten und der spanischen Grenze im Westen innerhalb des letzten Jahres probieren durfte, hat mich zum Teil wirklich begeistert.

Languedoc – ein Weinbaugigant im Südwesten Frankreichs

Offiziell heisst die Anbauregion Languedoc-Roussilion und umfasst verschiedene AOP, also ‚Appellationen mit geschützter Herkunftsbezeichnung‘ und entsprechenden Regularien. Limoux, Corbières, Minervois, Costieres des Nimes – der ein oder andere Name mag hier evt. aus dem Urlaub bekannt sein. Vor knapp 30 Jahren wurde neben diesen AOP als zusätzliches (oder alternativ zu verwendendes) Disziplinar das ‚Pays d’Oc‘ installiert. Hintergrund und auch wirklich kluge Idee war es, ‚Rebsortenweine‘ am Markt zu etablieren. Mit anderen Worten: in einem Pays d’Oc ist immer drin, was drauf steht. Somit weiß der Kunde genau, was ihn erwartet. Chardonnay, Syrah, Merlot, Chenin Blanc – insgesamt 58 ‚Rebsortenweine‘ sind in der Pays d’Oc verzeichnet. Hingegen sind bspw. die AOP Corbières, Minervois, Terrases du Larzac usw. immer Verschnitt- oder Cuvéeweine. Da muss man entweder Weinfreak sein, und/oder genau ins Disziplinar schauen und zusätzlich den Winzer fragen wieviel Prozent er bspw. vom Syrah, wieviel vom Grenache etc. verwendet.

Pays d’Oc – mehr Freiheit in der Weinbereitung

Pays d’Oc (früher: Vin de Pays) hingegen ist keine AOP, sondern eine IGP, also salopp gesagt die 2. oder 3. Stufe in der Qualitätspyramide. Sind die Weine nun schlechter als ein AOP Wein? Überhaupt nicht – in der Regel sind es genau die gleichen WinzerInnen die auch AOP Weine produzieren und für die sich mit dieser IGP die Möglichkeit eröffnet ‚Rebsortenreine Weine‘ zu erzeugen. Gibt es nur ‚reinsortige Weine‘? Nein, in der IGP sind auch Cuvées zugelassen, so dass wir hier auch eine hohe Experimentierfreude sehen können. Ist bspw. in einem Minervois AOP Merlot oder Cabernet als zusätzliche Rebsorte nicht zulässig, so kann der Winzer in einer Pays d’Oc IGP den ‚Minervois-Trauben‘ (Syrah, Grenache, Carignan etc.) Cabernet, Merlot oder Malbec hinzufügen. Gleiches Gebiet, gleiches Terroir – nur halt eine andere Philosophie.
Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Pays d’Oc Deklaration von den Winzern insbesondere für die reinsortigen Weine ein großer Erfolg ist. Die klare Botschaft versteht sowohl der Kunde in Frankreich, in Deutschland, in Dänemark wie auch in Übersee. Chardonnay, Merlot, Chenin Blanc etc. sind nun mal Begriffe die griffig und bekannt sind.

Languedoc – eine Weinregion auf der Erfolgsspur

Einen weiteren großer Vorteil neben der überzeugenden Qualität sehe ich im Preis-Leistungsverhältnis. Das Anbaugebiet ist nicht wirklich klein, Wein ist hier kein ‚knappes Gut‘. Fast 240.000 Hektar umfasst das Languedoc (zum Vergleich: Deutschland kommt noch nicht einmal auf die Hälfte…). Das Klima ist günstig: aus Süden kommt die salzige Luft vom Meer (das Anbaugebiet verfügt über 200km Küstenlänge und feinste Sandstrände!), aus dem Norden kühlt das Zentralmassiv und sorgt über Bäche und Flüsse für die Wasserversorgung. Bio oder nachhaltiger Anbau ist hier ohne riesige Anstrengungen umsetzbar. Während in der Provence in den letzten 5 Jahren die Preise (insbesondere für Rosé) weg galoppiert sind, an der unteren Cote-du-Rhône große Hitzeprobleme herrschen und das Qualitätsniveau beeinträchtigen, läuft’s im Südwesten richtig rund. Fast 50% Exportanteil wird inzwischen erreicht, bei Rosé-Weine ist man mengenmäßig ganz klar die No. 1 unter den französischen Anbaugebieten. Logistik-Strukturen sind etabliert, der Markenauftritt funktioniert, so dass massive Aufbau-Investionen nicht mehr nötig sind. Und das macht sich auch im Preis bemerkbar: Tolle Qualitäten für absolut überschaubare Preise!
Insbesondere die Genossenschaften machen richtig Freude: hier sind nicht Wenige pfiffig und innovativ unterwegs, haben perfekt ausgebildetes Personal, engagieren sich im nachhaltigen Anbau und sind seit Jahren umtriebig im Export. Nicht zuletzt finden man bei verschiedenen Verkostungen auch häufig Weine der Kooperativen auf den vorderen Plätzen. Hatten Weine von Genossenschaften vor 10, 20 Jahren häufig  nur ‚folkloristischen Charme‘ so sind dies heute perfekt aufgestellte und vorwärts denkende Unternehmen.

Anne de Joyeuse – Genossenschaft mit klarer Vision

Im Ort Limoux ist der Hauptsitz und auch die Kellerei der Genossenschaft ‚Anne de Joyeuse‘. Insgesamt 350 ‚Genossen‘  bewirtschaften knapp 3000 Hektar in verschiedenen Subzonen rund um Limoux. Stolze 5,5 Mio. Flaschen bringen die Genossen jedes Jahr an die Frau und an den Mann, davon 50% im Export. Allein 11 ‚Rebsorten-Weine‘ gibt es, dazu über 10 Weine aus der AOP Limoux, weiss wie rot, mit und ohne Barrique. Im gesamten Sortiment habe ich nicht einen einzigen Wein entdeckt, der sensorisch fehlerhaft wäre (und ich bin wirklich ‚pingeling‘). Bio gibt es genauso wie konventionell, wobei der komplette Betrieb auf verschiedenen Ebenen Nachhaltigkeit und Regionalität verfolgt. Beispielsweise konnte der Wasserverbrauch um 50% reduziert werden, 80% der Investitionen fliessen in lokale/ regionale Partner- und Zulieferbetriebe. Seit 2019 ist die Genossenschaft HVE zertifiziert (Haute Valeur Environnemental). Steinmauern wurden gesetzt, ebenso wie 4 Kilometer (!) Hecken gepflanzt um Tieren und Nützlingen Siedlungsraum zu geben. Es hört sich fast zu perfekt an, um wahr zu sein…

Nachhaltigkeit hat seinen Preis – oder doch nicht?

Bei soviel ‚guten Stories‘ muss der Preis sicherlich hoch sein. Nein, muss er nicht! Wer Nachhaltigkeit betreibt, investiert in zukunftsfähige Betriebs- und Kostenstrukturen. Zunächst ist ‚HVE‘ natürlich als Investment ein Kostenfaktor. Viele Dinge mussten auch bei Anne de Joyeuse umgestellt und re-organisiert werden. Mit der Zeit kamen jedoch die ‚turn-around‘ Effekte. Man spart bspw. Energie und Wasser. Gesunde Böden benötigen weniger Eingriffe, leiden weniger unter Trockenstress und sichern so Erträge. Leichtere Flaschen kosten in der Anschaffung weniger als ‚Protz-Glas‘ – und dies auch im Transport. Die Etiketten wurden gerade neu designt, sind schlicht, ohne Lackversiegelung – und dennoch ein Hingucker. Es wurde ein Zentrallager in Belgien etabliert um die relevanten Exportmärkte schnell und mit kurzen Wegstrecken versorgen zu können. Das Ergebnis dieser vielen kleinen strategischen Entscheidungen macht sich nun, in der momentanen Phase von ‚wilden Preiserhöhungen‘ für uns Alle positiv bemerkbar. Und letztlich führt dies Alles dazu, dass Sie als KundInnen KEINE zweistelligen Euro Beträge für tolle Weine bezahlen müssen.

Die aktuellen Weine:

Anne de Joyeuse:

Camas Viognier Pays d’Oc 2021 – cremig, feine florale Noten, fast schon everybody’s darling! Vorsicht: wer Viognier probiert, wird danach nie mehr Lugana trinken…

Camas Chenin Blanc Pays d’Oc 2021 – würzig, frische und saftige Säure. Man nennt sie auch ‚die Zicke‘ unter den weissen Rebsorten. Im Südwesten Frankreichs ist sie aber fast schon ein Musterschüler.

Camas Chardonnay Pays d‘ Oc 2021 – blitzsauber und sortentypisch. Auch im 5l Bag-in-Box!

Camas Pinot Noir Rosé Pays d’Oc 2021 – komplett anders als deutsche Rosé aus Spätburgunder. Eher super-elegant, würzig, mineralisch, mit tollem Mundgefühl.

Camas Syrah Rosé Pays d’Oc 2021 – natürlich ein must-have im Südwesten Frankreichs. Wunderbare Tannine und schön schmelzig. Ebenfalls als BiB mit 5 Liter erhältlich.

Camas Merlot Pays d’Oc 2020 – hat das Zeug dazu, ein ‚Rotwein für alle Fälle‘ zu sein. Auch für Parties, da ebenfalls als Bag-in-Box erhältlich.

„D.118“ Cité de Carcasonne IGP 2019 – benannt nach der Strasse, die von Ost nach West durch Limoux verläuft. Merlot, Cabernet und Marselan verleihen diesem Rotwein eine hohe Trinkigkeit und maximale Sympathiewerte.

Luc Pirlet

Das Weingut ‚Luc Pirlet‘ der Familie der Familie Cholot verfügt über stattliche 350 Hektar im Languedoc – und vertraut bei der Weinbereitung auf Anne de Joyeuse. Mit anderen Worten: andere Weinberge, gleicher Weinkeller – und auch eine andere Stilistik. Zum Glück aber das gleiche Zentrallager ;-)

Viognier ‚Reserve‘ Luc Pirlet Pays d’Oc 2021 – ein kleiner Teil wird im Holzfass vergoren, dadurch wunderbare Noten von Brioche. Cremig, salzig, deutlich wuchtiger als der Camas ohne jedoch zu ’nerven‘.

Cinsault-Syrah Pays d’Oc 2020 – Cinsault ergänzt den Syrah um florale Noten und verleiht viel Eleganz. Als 2020er jetzt mit wunderbarem Schmelz am Gaumen. Den 2021er fand ich im Vergleich ‚zu jung‘.

Die Preisrange der Weine beginnt bei € 6,90 die Flasche. Um ‚zweistellig‘ zu werden muss man schon zum ‚Bag-in-Box‘ greifen :- )
Und auch hier sind € 29,00 für 5 Liter (entspricht mehr als 6 Flaschen!) eine deutliches Signal: guter Wein muss nicht teuer sein!!!

'Camas' - rebsortenreine Weine aus dem Pays d'Oc. Komplett im Edelstahltank ausgebaut. Mit Schraubverschluss.
"D.118" - die Autoroute, die durch Carcassonne in die Pyrenäen führt.
Viognier - eine vollkommen unterschätzte Rebsorte. In türkisblau: die 'Zicke', Chenin Blanc.
Viognier mit etwas Holzausbau. Großer Wein für kleines Geld!
Cinsault küsst Syrah: zärtlicher Rosé mit feinen Blütennoten.
Der 'Bag-in-Box'. In Frankreich äusserst beliebt, in Deutschland häufig nicht in 'angemessener Qualität' zu bekommen. Jetzt schon ;-)
Anne de Joyeuse
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