Jura & Savoyen: Perlen im Osten Frankreichs

Die Regionen Jura und Savoyen sind sicherlich nicht die Ersten, die in das Bewusstsein dringen, spricht man über den Weinbau in Frankreich. Dies mag nicht verwundern, sprechen wir hier doch über Anbaugebiete mit je ca. 2000 Hektar bestockter Rebfläche. Wie lässt sich diese Zahl einordnen? Das deutsche Anbaugebiet Rheingau zählt 3000 Hektar, das Burgund knapp 30.000 Hektar und ‚Gigant‘ Bordeaux knapp das 60-fache wie der Jura oder Savoyen: 120.000 Hektar. Somit sprechen wir bei Jura & Savoyen über kleine Anbaugebiete, die allein von der produzierten Menge her nicht die komplette internationale Aufmerksamkeit auf sich lenken können.

Klein, aber oho!

Warum lohnt sich ein Blick in diese Regionen im Osten Frankreichs an der Grenze zur Schweiz? Ich gebe zu: meinen ersten Kontakt habe ich durch den seit Jahren zunehmenden Trend bzw. Boom nach Crémant bzw. Sparklings ins Jura gefunden. Auf der Suche nach guten und bezahlbaren Crémant stand plötzlich Jura auf dem Tisch, in Form vom Blanc de Noirs von Marcel Cabelier. Mich hat diese puristische Frische begeistert – und da sind wir direkt auch schon bei einem wichtigen Faktor der beiden Regionen: das Klima.

Auf der Suche nach dem ‚cool climate‘

Inzwischen gibt es nahezu kein Weinbaugebiet international, dass nicht über klimatische Probleme stöhnt: zu warm, zu trocken, zu früher Austrieb, Spätfrostgefahr, Waldbrandgefahr usw. usw. Die Weinszene sucht daher händeringend nach den ‚Weinbauzonen 2.0‘ oder besser ‚4.0‘. Dort wo es noch kühler ist, wo die Böden nicht unter Dürre leiden. Und da landet man häufig in Gebieten, wo es Berge hat, wo es in die Höhe geht und wo möglicherweise Wolken hängen bleiben und abregnen. Da ist bspw. der spektakuläre Weinbau am sizilianischen Ätna, da rückt der Nordwesten Spaniens (Galicien) in den Fokus – und man schaut natürlich auch an die Ausläufer der Mittelgebirge oder der Alpen.

Jura & Savoyen: das Paradies der ‚anderen‘ Trauben

Die Weinbauregionen Jura & Savoyen sind alles Andere als eine neumodische Erfindung: Weinbau gibt es dort zumindest seit Jahrhunderten, Jahrtausende scheint jedoch eher realistisch. So wurde der berühmte jurassiche ‚Macvin‘ erstmalig urkundlich im 15. Jahrhundert erwähnt. Die weisse Rebsorte ‚Savagnin‘ bezieht sich auf die Weinregion ‚Servan‘, die persische Bezeichnung für ‚Schirwan‘, wo diese Ur-Sorte des Traminers bereits vor mindestens 5.000 Jahren angebaut wurde und dann über die Völkerwanderungen weiter getragen wurde. Savoyen leitet sich aus dem keltischen ‚Sapaudia‘ ab und wurde im Jahre 121 v. Christus von den Römer erobert. Schwer vorstellbar, dass diese dort ohne Wein zurecht gekommen sein könnten…
Ob es jetzt die Abgeschiedenheit der beiden Regionen ist und/ oder die geringe Anbaufläche: im großen Weinzirkus spielten weder Jura noch Savoyen bis dato ‚big business‘. Dies stellt sich heute für mich als grosses Glück und fast schon als Alleinstellungsmerkmal heraus: man hat seine ur-alten Rebsorten bewahrt. Gerne ziehe ich hier eine Analogie bspw. zum nicht weit entfernten Piemont: auch hier haben Sorten wie Arneis, Cortese, Moscato, Dolcetto, Barbera und natürlich Nebbiolo allen Modeströmungen getrotzt. Zwar wird auch im Piemont Chardonnay und Pinot Nero gepflanzt, aber die befürchtete Cabernet oder Syrah Welle ist bis heute unterblieben. Vergleichbares finden wir im Jura und in Savoyen. Ja, es gibt sie, die Chardonnay und die Pinot Noir, ja, ihr Anteil nimmt auch zu – aber die heimischen Sorten sind immer noch ganz klar im Fokus.

Savoyen ist: weiss!

Savoyen befindet sich südlich des Genfer Sees und endet an der nördlichen Rhône. Wir befinden uns dort bereits knapp auf der Höhe von Lyon. Wer jetzt denkt, dass die roten Sorten im Fokus stehen: nein. Die große Vielfalt gibt es in Savoyen ohnehin nicht. Als rote Sorte überzeugt mich die ‚Mondeuse‘, die für mich so was wie einen idealen Mix as Syrah und Gamay darstellt. So erinnern mich die Weine an gute Beaujolais Villages, jedoch mit etwas griffigeren Gerbstoffen. Der Wein mag anfangs etwas rustikal erscheinen, überzeugt aber durch seine feine Säure, die Frucht und die sie untermalenden mineralischen Noten. Ein wunderbares, saftiges Mittelgewicht!
Mondeuse darf aber nicht darüber hinweg täuschen, das Savoyen eigentlich ‚weiss‘ ist. Herausragend sicherlich die Sorte Jacquère, die sowohl in Savoie wie auch in Haute Savoie die weisse Produktion dominiert. Die Rebsorte gilt als Massenträger, muss gezügelt werden und findet gerade auf kargen Geröllböden ihren natürlichen Zuchtmeister. Viel geiziger im Ertrag sind die Rebsorten Roussette oder auch Altesse (‚Hoheit‘) genannt und die von der Rhône bekannte Roussanne, die rund um den Ort Chignin auch ‚Bergeron‘ genannt wird. Es ist sicherlich nicht übertrieben die AOP Chignin Bergeron als DIE Crù-Lage von Savoyen zu beschreiben. An den Süd-/ Südwesthängen des hoch aufragenden Mongelas-Gebirge gedeihen die Reben auf lehmigen, kalkhaltigen Mergelböden. Wir hatten den 2021er ‚La Bergeronelle‘ von Les Fils de René Quenard – und der Wein verwöhnte mit beginnender Trinkreife. Wunderbar fein, elegant, es entwickelt sich ein wunderbarer Schmelz im Gaumen. Kein dichter Wein, dafür wunderbar zärtlich lang. Also überhaupt nix von einem fetten oder breiten Chardonnay. Ein wirklich perfekter Essensbegleiter mit deutlich erzeugendem Speichelfluss.
Aus dem Hause G & G Bouvet in Frèterive im Tal von Chamberly ganz im Süden des Anbaugebietes Savoyen hatten wir den zuvor beschriebenen Mondeuse (rot) und mit der ‚Cuvée Henriette‘ einen Roussette de Savoie (gleich ‚Altesse‘). Auch hier ein 2021er, mit grandioser Frische. Also bitte, bitte keine Angst haben: die Weinen dürfen oder sollten sogar mindestens 2-3 Jahre auf der Flasche haben. Möglicherweise halten die Dinger sogar Jahrzehnte…

Jura ist: bekloppt!

Man möge es mir nachsehen: aber eigentlich sind die Weine wirklich komplett verrückt oder bekloppt. Sie passen so herrlich nicht in unseren Zeitgeist – oder doch gerade wieder?
Der Jura rückt zunehmend in den Fokus der Weinszene, dies liegt aber aktuell eher noch an seiner Nähe zum unweit westlich gelegenen Burgund. Fährt man bspw. von Dijon über die A39 Richtung Lyon, ist es gar nicht so einfach fest zu stellen, ob man gerade noch im Burgund oder schon im Jura (oder umgekehrt) ist. Der Jura gehört administrativ zur Region Bourgogne-Franche-Comté, das ‚Burgund‘ steckt hier bereits im Namen… Und da die Weinregion Burgund (insbesondere Côte d’Or) seit Jahren nur noch astronomische Preise kennt, zudem in den letzten 5 Jahren häufig unter Spätfrösten litt, sucht man natürlich ‚Ausweichmöglichkeiten‘. Gerade im westlichen Jura wird viel Chardonnay und Pinot kultiviert, welche insbesondere für die Versektung als Crémant du Jura verwendet werden. Ich würde daher soweit gehen, dass die Crémant-Produktion aktuell der Türöffner für weitere Produkte des Jura ist – und diese haben es absolut in sich!

Das absolute Flag-Schiff unter den Vin Jaune des Jura: die AOP ‚Chateau Chalon‘. Aktuell kommt nun der Jahrgang 2016 in den Verkauf (Menge stets limitiert, Preis ca. €40/ Flasche)
Macvin und Vin Jaune: wo gibt es das sonst?

Jedes Jahr im zeitigen Frühjahr findet im Jura die ‚Percée du Vin Jaune‘ statt. Exakt am ersten Wochenende im Februar wird dann dieser ‚gelbe Wein‘ in die Freiheit entlassen. Und darauf wartet dieser Wein dann schon exakt 6 Jahre und 3 Monate. Das muss natürlich gefeiert werden, und im Jura ist dies so etwas wie ein nationaler Feiertag. Zwischen 30-40.000 Gäste strömen dann in die kleinen Ortschaften des Jura (die Percée findet jedes Jahr an einem anderen Ort im Jura statt) und warten darauf dass die Fässer nach exakt 75 Monaten Reife geöffnet werden. Die Krönung des Vin Jaune finden wir in der ‚AOP ‚Chateau Chalon‘ rund um das gleichnamige Schloss. Hier observiert ein Kontrollgremium im August die Weinberge rund um das Chateau und entscheidet vor der Lese, ob die Savagnin-Trauben für einen Vin Jaune Verwendung finden dürfen. Wir dürfen nicht vergessen: wir befinden uns in voralpiner Gegend mit äusserst wechselhaftem Wetter, zunehmenden Unwettern (Hagel, Starkregen) und möglichem Pilzdruck in den Weinbergen.
Hergestellt wird der Vin Jaune ausschliesslich aus der Rebsorte Savagnin, dem ‚weissen Traminer‘. Diese antike Rebsorte mit Ursprung im sog. ‚Grünen bzw. Fruchtbaren Halbmond‘ (= das Winterregengebiet im nördlich der syrischen Wüste) ist die Hauptrebsorte im französischen Jura. Im benachbarten Schweizer Jura findet sich diese Rebsorte interessanterweise nicht, wohl aber im Wallis – dort bekannt als ‚Heida‘. Verdrängt wurde die Rebsorte in vielen anderen Weinbaugebieten durch den Gewürztraminer, jedoch ist der Weisse Traminer höchst interessant: aus ihr sind Rebsorten wie u.a. Sauvignon Blanc, Pinot Noir, Chenin Blanc, der Rote und der Weisse Veltliner u.v.m entstanden. Auch in Deutschland interessieren sich einige wenige Winzer für diese historische Rebsorte und re-kultivieren diese im sog. ‚Versuchsanbau‘.
Zurück zum verrückten Vin Jaune. Wie wird aus Savagnin etwas ‚Verrücktes‘? Der Wein wird in Holzfässer gefüllt – und dann sich selbst überlassen. Durch die feine Verdunstung über die Holzporen ‚verflüchtigt‘ sich Wein – und es wird anders als im normalen Fall – nicht mit Wein nachgefüllt. Dadurch, dass die Fässer nicht mehr ’spundvoll‘ sind, kann sich auf der Oberfläche eine spezielle Florhefe ausbreiten, die wahrscheinlich seit Jahrhunderten in den Ritzen und Fugen der Weinkeller überdauert. Nach 75 Monaten sind von 1000ml Ursprungswein nur noch 620ml übrig (so das offizielle Disziplinar) und diese werden in die spezielle Clavelin-Flasche gefüllt – welche natürlich exakte 620ml umfasst. Der Wein ist extrem speziell, die Nase muss man ertragen: das ist natürich keine frische oder blumige Nase. Man ist zunächt -höflich formuliert- irritiert…
Jedoch passen Nase und Mund überhaupt nicht zusammen: der Wein ist knochentrocken, aber von einer formidablen Frische. Noten von Walnüssen, etwas kandierte Frucht, leicht pilzige Noten – und ein wunderbar langer Abgang, der die anfängliche Irritation in er Nase vergessen lässt. Entfernt könnte man den Vin Jaune mit einem Sherry vergleichen, jedoch hat der Vin Jaune deutlich weniger Alkohol (da nicht mit Branntwein versetzt), ist trockener und brutal lang am Gaumen. Für die Jurasser ein idealer Essenbegleiter, sei es Krustentiere, Charcuterie oder Käseplatten (Comté!). Aber auch so ist ein 1-2 Schluck Vin Jaune eine genauso fordernde wie wunderbare Erfahrung. Und ja, auch zu einer edlen Zigarre kann ich mir diesen kuriosen Wein erfolgreich vorstellen. Muss man in seinem (Wein-) Leben getrunken haben, wird ewig im Gedächtnis bleiben!

Nicht ganz so verrückt die Story, aber nicht weniger speziell, der ‚Macvin du Jura‘. Im Gegesatz zum Vin Jaune darf diese Spezilalität auch aus anderen Trauben als Savagnin hergestellt werden. Wobei man jetzt mal die ausufernden Gedanken einfangen muss: im Jura snd exakt nur Savagnin und Chardonnay bei den weissen Sorten, sowe Poulsard, Troussseau und Pinot Noir bei den roten Sorten zugelassen. Also exakt 5 Rebsorten…
Beim ‚Macvin‘ kommt der frische Most (rot oder weiss) ins Fass und wird sodann durch die Zugabe von Tresterbrand (in Italien ‚Grappa‘ gennant, in Frankreich ‚Marc‘) daran gehindert, zu gären. Wie geht das? Ab ca. 16-17% vol. Alkohol ’streiken‘ die Hefen und führen keine Gärprozesse durch. Durch ca. 1/3 Tresterbrand auf ca. 2/3 Most wird diese kritische Grenze (je nach %vol. des Tresterbrandes) erreicht, der Wein gärt nicht und bewahrt somit seine Restsüße. Dieses Verfahren wird in Fankreich ‚Mistelle‘ genannt und wir erhalten einen restsüßen Likör- oder Dessertwein. Das Besondere am Macvin du Jura: der Tresterbrand muss aus der gleichen Rebsorte wie der Most hergestellt sein und zuvor 18 Monate in Eichenfässern verfeinert sein. Und auch der ‚verschnittene‘ Macvin muss mindestens 10 Monate in Eichenfässern reifen. In der Nase merkt man auch hier zunächst die etwas muffigen und morbiden Töne, die wir vom ‚Vin Jaune‘ kennen. Interessant wird es am Gaumen, wo wir diese frische Frucht des Mostes erahnen und eine deutliche Süße spüren. Dieser süßliche Eindruck verschwindet jedoch im Abgang komplett, eine geradezu salzige Note sorgt für Frische und Eleganz. Natürlich ist auch dieser Wein wieder für unsere ‚Standard-Wein-Erfahrung‘ genauso ungewohnt wie ein Vin Jaune. Aber auch hier: die Erfahrung graviert sich tief ins Gedächtnis ein, nicht als ‚leckerster-jemals-getrunkener-Wein‘ sondern als komplettes Gesamtkunstwerk.

Nix Neues im Jura?

Nun, generell steht der französiche Weinbau nicht gerade unter Generalverdacht, alle 5-10 Jahren eine neue Modewelle zu kreieren. Nein, der Weinbau ist traditionell, eher konservativ, maximal Nuancen werden verändert. Einigen Regionen fällt diese fehlende Innovationskraft bzw. Anpassungsfähigkeit im Zuge des Klimawandels brutal auf die Füße (s. bspw. die untere Rhône).
Es mutet fast schon wie eine Sensation an, dass die Domaine de Savagny / Maison du Vigneron nun mit einem ‚Orange-Wein‘ auf den Markt kommt. ‚Orange‘ beschreibt hierbei, dass der Weisswein statt mittels Mostgärung mit einer Maischeärung hergestellt wird. Bei der Maischegärung (Rotweine werden so produziert) verbleiben Beerenhäute und Kerne im Most, die Farbpigmente aus den Schalen werden genauso extrahiert wie Bitterstoffe – und die Farbe ist somit nicht mehr grünlich oder grünlich gelb, sondern eher leicht kupferfarben. Sensorisch merkt man hier einen enormen Unterschied: bei einer Mostgärung tummeln sich i.d.R. fruchtige und blumige Aromen; diese sucht man bei ‚Maischegärung‘ eher vergeblich. Häufig finden wir hier Noten von Mostbirne oder mostigem Apfel, Noten von Uhu (oder Pattex, wir wollen ja keinen Klebstoffproduzenten benachteiligen…) – also all‘ das, was wir uns genau NICHT in einem Weisswein erhoffen. Doch STOP! – bevor nun die Flinte ins Korn geworfen wird: diese Weine brauchen Zeit, sprich enorm viel Luft. Diese Weine über Stunden zu dekantieren schadet mitnichten. Den ‚L’Orange lui va si bien‘ (‚Das Orange steht ihm gut!‘) der Maison du Vigneron habe ich über 5 Tage verkostet. Und ja, er wird von Tag zu Tag besser. Am Gaumen eine tolle Salzigkeit und Frische, kein breiter sondern vielmehr extrem langer Chardonnay. Und obwohl die Nase alles andere als frisch ist – am Gaumen ist das pure Lebendigkeit. Ich bin mal gespannt, was die Kollegen von der Côte d’Or zu diesem Wein sagen…

Ein Chardonnay mit Maischegärung. Klingt ’neumodisch‘ ist aber eigentlich eine konsequente Weiterentwicklung der eher ‚traditionellen‘ Weinbereitung im Jura. Chapeau – und maximal Hipster-tauglich!
Poulsard und Trousseau – bitte erhaltet sie!

Zugebenen: sie stehen im Schatten von den Crémant, sie stehen im Schatten der Spezialitäten wie ‚Tradition‘, ‚Macvin‘ oder dem berühmten ‚Vin Jaune‘. Die Rede ist on den roten Sorten Trousseau und Poulsard. Angebaut werden diese Sorten vornehmlich im nördlichen Jura rund um die Gemeinde Arbois. Beiden Rebsorten ist gemein: ihre Beerenhäute strotzen nicht gerade vor Fabstoffen. Die Weine eher von mittlerem Kirschrot, der Trousseau sogar noch etwas heller. Sicherlich nichts, was einen Cabernet, Syrah oder Primitivo-Trinker atmosphärisch beeindruckt. Hätte ich diese Weine blind im Glas, wäre ich zuächst ratlos: wo soll ich diese Weine hinstecken, wo habe ich so etwas schon einmal getrunken? Ist es Pinot Noir? Nein, dafür sind diese Weine nicht ‚rauchig‘ genug. Ich rätsele weiter und grabe Erinnerungen hervor: Mencia aus dem spanischen Bierzo? Nerello Mascalese vom Ätna? Oder aber: Nebbiolo aus dem nördlichen Piemont rund um Ghemme, Gattinara oder Lessona? Allesamt Zonen mit extrem mineralischen Böden. Hier im Jura dominiert der berühmte Jura-Kalk, das verleiht den Weinen über den hohen ph-Wert Rückgrat und eine wunderbare Frische. Hier braucht man kein Barrique oder eine Holzprägung, sondern das Ass im Ärmel ist diese Würzigkeit, die Noten von Unterholz, die Noten von Thymian und Oregano. Auch sind die Weine nicht superfruchtig, da jubiliert kein Cassis oder eine fette Brombeere. Dezente Kirschfrucht beim Trousseau, ergänzt um tiefe Schlehe beim Poulsard. Wir hatten in der Verkostung jeweils die 2022er Jahrgänge der ‚Domaine de Savagny‘. Man munkelt, dass diese Rebsorten auf dem Rückzug seien, da unsicher und schwach im Ertrag. Vom Poulsard soll es Schätzungen zufolge nur noch 250 Hektar gebe. Meiner Meinung nach sollten diese Rebsorten sofort auf die ‚Denkmalliste‘ und für immer-und-ewig erhalten bleiben. Ich hoffe, dass die Winzer im Jura wissen, welchen unfassbaren und einzigartigen Schatz sie da in den Weingärten stehen haben. Bitte nicht durch Chardonnay und Pinot Noir ersetzen, überlasst das anderen Regionen! (Und an die weincommunity: trinkt diese Weine, sie sind einzigartig! Sie sind ungewöhnlich, aber herzlich. Ihr werdet sie nicht flaschenweise trinken, aber mit Genuss und großer Befriedigung!)

Unbedingt probieren!

Erstaunlicherweise waren in der Verkosutng die Crémant, die Produkte, die mich ursprünglich erst in die beiden Regionen ‚gezogen‘ haben, eher nicht meine Favoriten. Hier zeigt sich aber ein für mich generelles Problem: durch den weltweiten Boom nach Champagner, Crémant, Cava und Co. kommen diese Produkte für meinen Geschmack zu früh auf den Markt. So ist der Crémant von Marcel Cabelier am 24. Januar 2024 degorgiert worden – und genau einen Monat später soll er bereits schmecken? Sorry, aber das funktioniert nicht, und insbesondere nicht bei einer Region, wo Mineralität und Säure die Joker im Ärmel sind. Hier würde ich mindestens noch 12 Monate warten. Einen Chardonnay/ Pinot von Marcel Cabelier hatte ich mal ca. 3 Jahre vergessen – und dieser Crémant war dann zum Niederknien!
Es macht durchaus Sinn, Savoyen und Jura in einer Probe zu kombinieren. Savoyen glänzt hier mit den klaren, frischen und präzisen Weissweinen, ist aber bei ‚Rot‘ mit Ausnahme des/ der Mondeuse ‚blank‘. Da kann dann wiederum der Jura mit Poulsard und Trousseau Ausrufezeichen setzen. Und dann sind da noch die ‚freakigen Spezialitäten‘ aus dem Jura: Tradition, Macvin und Vin Jaune würde ich hier immer ans Ende, nach den Roten platzieren. Generell ist es aber nicht so wichtig ‚erst Weiss, dann Rot‘ zu befolgen, im Gegenteil: das Springen zwischen den Regionen und den Weinstilistiken hält die Spannung aufrecht. Beginnen und Schliessen würde ich immer mit einem Crèmant; gerade zum Abschluss macht ein knackiger Crémant das ‚Maul wieder sauber‘.

Lust auf 6* ‚freakige‘ Weine aus dem Jura?

Wer Lust hat, zumindest 4 der fünf zugelassenen Rebsorten zu probieren, dem sei das wirklich extrem abwecelunsreiche ‚JURA-PAKET‘ aus unserem Shop ans Herzen gelegt!


Die Probenliste vom 24.02.2024 inkl. Reihenfolge:
  • 1) G & G Bouvet ‚Victor Emmanuel Cuvée Special Cremant de Savoye ‚AOP (ca. € 17)
  • 2) G & G Bouvet ‚Cuvée Henriette‘ Roussette de Savoie AOP 2021(ca. € 12-13 Euro)
  • 3) Domaine G & G Bouvet Mondeuse Savoie AOP (bei uns gelistet, € 12,50)
  • 4) Les Fils de René Quenard ‚La Bergeronelle‘ Chignin-Bergeron AOP Savoie (ca. € 19)
  • 5) Maison du Vignerons ‚L‘ Orange lui va si ben‘ Côtes du Jura AOP 2022 (ca. € 16-17)
  • 6) Domaine de Savigny ‚Tradition‘ Côtes du Jura o.J. (ca. € 19)
  • 7) Domaine de Savigny ‚Trousseau‘ Côtes du Jura AOP 2022 (ca. € 15)
  • 8) Domaine de Savigny ‚Poulsard‘ Côtes du Jura AOP 2022 (ca. € 15)
  • 9) Domaine de Savigny ‚Macvin‘ Côtes du Jura AOP (ca.€ 25)
  • 10) Chateau de Chalon Vin Jaune Chateau Chalon AOP 2014 (ca. € 35-40)
  • 11) Marcel Cabelier Blancs de Noir BRUT Cremant du Jura AOP (ca. € 13)

Tipp:
Wer privat oder im Freundeskreis eine derartige Probe machen möchte: ich kann gerne versuchen diese ca. 10-12 Weine zu besorgen, benötige aber in der Regel mind. 4 Wochen Vorlaufzeit. Der Preis für die Weine liegt ungefähr bei € 230-250.Natürlich ist auch eine Buchung als moderierte Veranstaltung möglich (zzgl. Aufwand nach Stunden).

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