After-Show Tasting ‚La Raia‘ – ‚Tenuta Cucco‘ (Piemont)

Das Leben kehrt zunehmend zurück in die Weinbranche! Winzer, Agenten & Händler treffen sich und holen den während Corona versäumten Austausch nach. Da nunmehr alle Messen und größere Branchentreffen fast 2 Jahre nicht stattgefunden haben, bedeutet dies für alle Beteiligten ’streetworking‘. Ab ins Auto und die Kundschaft vor-Ort besuchen. Dies ist zwar einerseits zeitintensiv, andererseits aber für die Beteiligten eine komplett neue, erkenntnisreiche  Situation. Man tauscht sich nicht in neutralen Messe- oder Kongresszentren aus, sondern sieht plötzlich den ‚point of sale‘ des Kunden. Und dies nicht nur einmal. Sondern das komplette Spektrum von Nord bis Süd, von Ost bis West. Es ist kein Geheimnis, das bspw. Süddeutschland aufgrund der geografischen Nähe zu Italien eine komplett andere Neugier und Wertschätzung gegenüber der Weinwelt Italiens hat, als dies in anderen Regionen Deutschlands der Fall ist. Somit gilt es für die Weingüter natürlich auch darum, jenseits einer gedanklichen Linie von ‚Stuttgart‘ Aufmerksamkeit und Neugier für italienische Weine zu erzielen. Insbesondere dann, wenn wir den Bereich des Mainstream verlassen und in eine doch sehr anspruchsvolle Weinwelt eintauchen, wie sie bspw. das Piemont zu bieten hat.

Piemont – eine große Weinbauregion mit Tradition und Alleinstellungsmerkmal!
Wenn ich die ‚Topp Five‘ Regionen der Weinwelt nennen müsste, dann würde ich das Piemont in einem Atemzug mit der Mosel, dem Douro-Tal und dem Burgund nennen. (Hinweis: die fünfte Position lasse ich aus diplomatischen Gründen offen, um mich nicht zwischen Rioja, der Wachau, dem Chianti Classico usw. entscheiden zu müssen…).
Das Piemont ist keine Region des Mainstream, keine Region für modische Weine, keine Region die sich anbiedern möchte. Das Piemont war schon immer ein Füllhorn von autochthonen (=heimischen) Rebsorten und hat diesen Pfad auch nie ernsthaft verlassen. Dolcetto, Grignolino, Freisa, Barbera und natürlich Nebbiolo bei den roten Sorten. Arneis, Favorita, Cortese, Moscato und Nascetta bei den Weissen – das Piemont strotzt nur so vor Authentizität!
Wir haben uns herzlich über den Besuch und fachlichen Austausch mit der Önologin Natàlia Fabrizzi gefreut, die gemeinsam mit Nico Grosjean von der Agentur Palorino, das Projekt ‚Roadshow in Deutschland‘ in Angriff genommen hat.
Natàlia ist als konsultierende Önologin mitverantwortlich für den Ausbau der Weine von ‚La Raia‘. Und da Weine nicht nur vinifiziert und ausgebaut werden müssen, sondern am Ende des Tages auch distribuiert und verkauft werden sollen, ist sie in Personalunion auch noch die Exportmanagerin der Tenimenti ‚La Raia‘.
Die Stiftung ‚Fondazione La Raia‘
‚La Raia‘ ist ein Projekt der Familie Rossi Cairo im piemontesischen Nova Ligure, ca. 50 Kilometer von Genua und dem Meer entfernt. Wir befinden uns hier im südöstlichen Zipfel der Region Piemont, unweit der Grenzen zu den Regionen Lombardei im Osten und Ligurien im Süden. Bekannt ist diese Region für den Anbau des Weissweins ‚Gavi‘, welcher Emde der 1990er Jahre ein absoluter Boom-Wein nicht nur in Süddeutschland war.
Auf knapp 180 Hektar hat die Stiftung ‚La Raia‘ ein Gesamtkunstwerk aus Weinbau, Begegnung und Kunst realisiert hat. Ganz oben auf der Agenda steht jedoch die nachhaltige Landwirtschaft: so ist der Bio-Betrieb seit 2007 Demeter-zertifiziert. Ein Unterfangen, was in einer heterogenen Klimazone wie dem Piemont nicht immer ganz leicht zu managen ist. Produziert wird hier natürlich der Weisswein Gavi (aus der Cortese-Traube) und als Rotwein Barbera.
Im klassischen Barolo-Gebiet hat die Familie Rossi Cairo 2014 ein weiteres Weingut übernommen und auch diesen Betrieb in die biologische Bewirtschaftung überführt. Mit der ‚Tenuta Cucco‘ gehören somit weitere 15 Hektar Weinberge in-und-um die renommierte Anbauzone Serralunga d’Alba zum Portfolio. Die aktuellen Jahrgänge der Baroli (2016/2017) sind noch nicht bio-zertifiziert, da erst mit dem Beginn der Umstellung der Landwirtschaft von konventionell auf Bio die 3-jährige Konvertierungsphase begonnen hat. 
Im Anschluss an unser geschäftliches Treffen haben wir abends die geöffneten Weine im Kreise einiger KundInnen nach verkostet. Und wie bereits vermutet: das  Piemont ist in der Wahrnehmung als Weinbau-Region nicht unbedingt auf der Pole-Position. Ja, man weiss vom Trüffel, Barolo und Barbaresco ist auch ein Name, den man erinnert – aber bewusst ‚Piemont‘ im Glas gehabt? Da wird es schon es schon schwieriger…
Somit war dies natürlich eine Steilvorlage, um neben Cortese (Gavi) noch zwei weitere Weissweine mit ‚garantierter Unbekanntheit‘ zu präsentieren: ein Arneis von Vite Colte sowie einen Nascetta von Michele Reverdito.
Und natürlich war dieses Treffen auch bestens geeignet dazu geeignet, über das Geschmacksbild von piemontesischen Rotweinen wie  Barbera und Barolo zu diskutieren. Nein, dies sind keine Weine des Mainstreams, im besten Sinne ‚anders‘, hier muss das sensorische Weltbild erweitert und neu justiert werden. Es reicht auch kein Bild oder ein Post auf social-media Kanälen um über diese Weine zu informieren. Die Weinwelt ist (zum Glück!) viel komplexer und vielfältiger, so dass es ohne ‚the story behind‘ und das authentische Verkosten keine Chance gibt das Unbekannte bekannter zu machen.  

Sowohl die Weingüter wie auch wir haben die Verkostung unserer Kundschaft kostenfrei zur Verfügung gestellt. Ganz herzlich bedanken wir uns gemeinsam mit dem Sibilla-Hospiz für die Spenden der TeilnehmerInnen!

La Raia:
# Gavi DOCG Bio (2020)
# Gavi DOCG Bio (2018; Lagerfund!)
# Gavi DOCG Riserva Bio (2018)
# Barbera Piemonte DOC Bio

Tenuta Cucco:

# Barbera d’Alba Superiore DOC Bio (2019)
# Barolo DOCG del Comune di Serralunga (2017)
# „Cerrati“ Barolo DOCG (2017)
# „Bricco Voghera“ Barolo DOCG (2017)

Vite Colte
# Langhe Arneis DOC  (2020)

Reverdito
# Nascetta (2018)

(Bildnachweis: wir bedanken uns bei ‚La Raia‘ für dieses imposante Ernte-Bild!)

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