Der Wein hat Terroir – das schmeckt man!‘ Nichts ist leichter umher geschleudert, als der Begriff ‚Terroir‘. Aber was genau ist eigentlich der/die/das ‚Terroir‘? Wenn dann auch noch ein Film mit dem Namen ‚Terroir‘ in Deutschland Premiere feiert, wird es allerhöchste Zeit, sich mit diesem Begriff auseinander zu setzen – oder zumindest eine Annäherung zu versuchen. Eine prächtige Gelegenheit bot hierzu das 20-jährige Jubiläum des Fördervereins ‚Kurtheater Hennef e.V.‘ Seit 2003 betreibt der Verein das historische Kurtheater der Familie Bellinghausen, welches erstmalig 1938 als ‚Kur-Lichtspiele‘ seine Türen öffnete. Gemeinsam mit Georg Forster vom Bio-Weingut Forster aus Rümmelsheim an der Nahe (Mitglied im Verband ECOVIN) durften wir vor dem Film einen kurze Moderation zum Thema ‚Terroir‘ aus unserer Sicht präsentieren.
Terroir – was ist das eigentlich?
Gerade im Zusammenhang mit dem Thema Wein sind sich die Experten mehr-oder-wenig einig, dass ‚Terroir‘ im Weinbau durch verschiedene Faktoren geprägt ist. Setzte man früher ‚Terroir=Boden‘, so ist der Begriff korrekterweise seit einigen Jahren umfassender gefasst worden.
Terroir ist geprägt durch:
# Landschaft
# Klima
# Boden
Die Landschaft ist hierbei bspw. die Art des Weinberges, ob Flachlage oder Steillage, die Ausrichtung (bspw. ‚Südhang“). Das Klima wird im Weinbau durch die Faktoren Temperatur, Niederschlag und Sonneneinstrahlung (Fotosynthese!) determiniert. Bereits hier erkennt man die wechselseitigen Abhängigkeiten: die Landschaft, bspw. eine Flusslage bestimmt die Temperatur, ein ‚Berg im Rücken gen Norden‘ hält Regen oder Frost ab (s. Beispiel Südtirol). Nähern wir uns nun dem Boden als weiterem ‚Terroir-Faktor‘, so tauchen wir ganz tief in eine Millionen Jahre alte Erdgeschichte ab.
Die paar Millionen...
Ich bin ganz ehrlich: eigentlich ist etwas Demut angesagt: wenn wir heute über Landschaft & Böden reden, dann hat die ‚Bauphase‘ vor knapp 400 Mio. Jahren begonnen. Spessart, Schwarzwald, Vogesen & Co. waren kleine Felsinseln im Ur-Meer. Vor 300 Millionen Jahren schoben sich die Erdplatten dann weiter Richtung Norden. Kalt- und Warmzeiten folgten, Sandstürme, Gletscherbildungen, Tundra & Wüste, Erosion und tektonische Verschiebung usw. usw. Millionen von Jahren dauerte es, bis die Bodenstruktur so wurde, wie wir sie heute nutzen, sei es als Landwirtschaft oder auch als Träger fossiler Energien oder Mineralien (Stichwort ’selteneErden‘). Die ersten Weinreben mag es bereits vor 60-80 Mio. Jahren gegeben haben, so lassen fossile Abdrücke von Traubenkernen vermuten. Vorläufer menschliches Leben mögen vor 6 Mio. Jahren existiert haben (leider kein Bildmaterial vorhanden…), Weinbau von Menschenhand gibt es aber längstens seit 8.000 Jahren, als im Kaukasus unsere Vorfahren erstmalig die Vorzüge der alkoholischen Gärung entdeckten. So – und nun stehen wir da mit unserer Erdgeschichte und unserem Boden, versuchen seinen Aufbau, seinen Sinn & Nutzen, seine Verletzlichkeit und Anfälligkeit zu verstehen.
In Georg Forster findet man einen Winzer, der sich in Theorie und Praxis komplett dem Thema ‚Böden‘ verschrieben hat. Bereits 1994 fasste er mit seiner Frau Margit den Entschluss auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Eine Entscheidung mit Vorraussicht: die Klimaveränderung in den letzten 20 Jahren stellt der Landwirtschaft mächtige Anstrengungen. Die Folgen ausbleibender Niederschlägen bzw. im Kontrast die Starkregenereignisse sind für Landwirte und Winzer real im Pflanzenwachstum bzw. in der Ernte sichtbar. Vereinfacht könnte man sagen: die Pflanzen erleben sowohl in Trockenheit (Nährstoffmangel) wie auch in feuchten Phasen (Pilzdruck) ‚Stress‘. Die spannede Frage lautet: wie ermöglichen wir Pflanzen eine möglichst natürliche Widerstandsfähigkeit zu entwickeln?
Humus als ‚game-changer‘?
Lauscht man Georg Forster, so ist es eigentlich ganz einfach: ist der Boden gesund, ist auch die Pflanze gesund. Doch was heisst hier ‚gesund‘? Ein Boden ist dann gesund, wenn er Wasser speichern kann, wenn Mikrolebewesen organische Masse in Nährstoffe ‚umsetzen‘ können. Wenn er Schädlingen und Nützlingen eine Heimat bieten kann (Hinweis: so manch ein ‚Schädling‘ ist eigentlich auch ein Nützling). Hierzu muss der Boden zwar bewirtschaftet werden, aber viel schonender und weniger invasiv, als wir es zu den Hochphasen der landwirtschaftlichen Industrialisierung gemacht haben. Statt Stickstoff maschinell zu düngen, gibt es bspw. Legumiosen, die den natürlich Stickstoff aus der Luft binden, in die Wurzeln einlagern und diesen nach mulchen/ grubbern wieder an die Weinrebe abgeben. Humus als Bodenschicht ist ein Gigant in der Fähigkeit Wasser und Kohlenstoff zu speichern. Durch mikrobiellen Abbau der Humusbestandteile werden organisch gebundene Elemente (Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Wasserstoff) in pflanzenaufnehmbare Verbindungen umgewandelt. Der Humus ist auch die Nahrungsquelle für Bodenmikroorganismen und Bodentiere. Und ‚Humus‘ ist dabei recht einfach herzustellen: in einem Forschungsprojekt stellt Georg Forster aus Pferdemist, Grünschnitt, Stroh, Heu und Lehm eigenen Kompost her. Dieser fertige Kompost (komplette Zersetzung nach ca. 6-8 Wochen) wird in den Rebzeilen ausgestreit oder aber auch als Tee gespritzt. Was sich esoterisch anhört ist recht simpel: es werden so Mikroorganismen ausgebracht, die sich im Boden ansiedeln und dort fortan ihre Arbeit verrichten: eine Humusschicht aufbauen! Das ist kein kurzer Prozess, aber wenn wir uns die eingangs erwähnten 400 Mio. Jahre Erdgeschichte in Erinnerung rufen, geht dies in Relation doch schon recht fix…
Kann man das schmecken?
Spannende Frage! Anhand von 3 Weine haben wir versucht ‚Terroir‘ zu erschmecken bzw. den Einfluss unterschiedlicher Böden. Wer einen Forster-Riesling ‚vom Kies‘ gegen einen Forster Riesling ‚vom Schiefer‘ probiert, wird auch als Laie merken: hier liegen sensorisch Welten zwischen diesen Weinen. Und das ist ausschliesslich in der Bodenstruktur begründet! Ein ‚Orange‘ Wein aus einer pilzwiderstandsfähigen Rebsorte (PIWI) sorgte für ordentlich Diskussionsstoff. Hier wird der Cabernet Blanc zubereitet wie ein Rotwein, also mit ‚Haut & Haaren‘ vergoren (sog. Maischegärung). Die Farbe aus den Beerenhäute sorgt dann für dieses typische kupfer-orange im Farbton. Aufgrund der stabilisierenden Wirkung der Phenole kann zudem komplett auf eine Schwefelgabe als Oxidationsschutz verzichtet werden. Das hat natürlich geschmacklich überhaupt nichts mit einem frischen, blumigen und leichten Weisswein für den Sommer zu tun, sondern muss sensorisch komplett in einen neue Kategorie gepackt werden. ‚Orange‘ halt…
Und das ‚Terroir‘ im Film?
Ein herrlicher Film, gespickt mit einigen/ vielen Widersprüchen. Viele Sommeliers, Köche, Winzer kamen zu Wort – und widersprachen sich häufig komplett. Das ist aber mitnichten schlimm, sondern sogar für mich gewollte Quintessenz und Aussage des Films. Wein & Genuss sind herrlich subjektive, persönliche Einschätzungen zu denen es selten einhellige Meinungen gibt. Wie sagte eine interviewter Weinhändler im Film ‚Wein schmeckt niemals gleich – es macht einen großen Unterschied, ob ich den identischen Wein zu einer Hochzeit oder zu einer Beerdigung trinke‘.
Fotografisch war der Film exzellent und sehr stimmungsvoll produziert. Auch das Format ‚Orginalsprache‘ (=Englisch) mit deutschen Untertiteln empfand ich persönlich als wohltuend. Letztlich ist Wein ‚international‘ und ob ein Japaner oder ein Franzose seine persönlichen statements abgibt, das sollte auch stimmlich untermauert werden.
Aktuell (Stand Juni 2023) läuft der Film noch in einigen Kinos. Wahrscheinlich wird er zusätzich ab Herbst/ Winter 2023 auch über streaming Plattformen verfügbar sein.