Kap der guten Hoffnung

Was wäre in der aktuellen Corona-Situation sinnbildlicher, als vom ‚Kap der guten Hoffnung‘ zu träumen? Schnell und ohne Schrammen um den Driss herum schippern, und gut ist.
Da bekanntlich die Hoffnung zuletzt stirbt machen wir halt in der Zwischenzeit, flexibel wie wir sind, einen gedanklichen Ausflug – und sind mittendrin, im Weinland Südafrika.

Dramatische Auswirkungen im Tourismus

Auch Südafrika hat mächtig unter Corona gelitten. Wir erinnern uns noch zu gut, dass Südafrika im Herbst letzten Jahres der Überbringer der schlechten Nachricht war: Omikron ist da! Dabei war Südafrika nicht der Urheber der Virusvariante, sondern nur der Entdecker der Variante und erster Überbringer der ‚bad news‘. Das medizinische System Südafrikas ist aufgrund bekannter Seuchen wie Ebola oder HIV schlichtweg aufmerksamer im Monitoring und konnte so Omikron zeitnah identifizieren und die Welt informieren.
Bereits zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 hat Südafrika sofort die Grenzen geschlossen. Es gab rigorose Ausgangssperren, Schulschliessungen und ein konsequentes Verkaufsverbot für Alkohol. Allein im ersten Jahr der Pandemie dauerte dieser Verkaufsstopp lange 18 Wochen. Für ein Land, dessen Wirtschaftsleistung nicht unerheblich vom Tourismus abhängt, eine mittlere Katastrophe. Insbesondere die Hochburgen für Weintourismus wie Franschhoek, Constantia und Stellenbosch, keine 100km vom Kap entfernt, verzeichneten ordentlich Kratzer in der Krone der Hoffnung….
Besser durch die Krise kamen hingegen die international aufgestellten Betriebe, die schon immer sehr stark exportorientiert aufgestellt waren. Aber auch hier gab es immer wieder herbe Rückschläge: unsere Nachbarn aus den Niederlanden, historisch einer der wichtigsten Abnehmer für südafrikanischen Wein, haben sich bekanntlich erst vor kurzer Zeit wieder aus dem Gastro-Lockdown verabschieden können. Auch wieder eine harte Zeit, in der kein südafrikanischer Wein in gewohnter Menge über den Tresen gehen konnte…
Für den Konsumenten hingegen ergibt sich gerade, insbesondere bei Rotweinen, eine ideale Gelegenheit. Die Weine lagen zum Teil länger in den Kellern, konnten somit noch besser reifen. Und das südafrikanische Weine geradezu ideal reifen können, ist in der Weinwelt längst kein Geheimnis mehr.

Südafrika – das Westkap mit idealen Bedingungen für den Weinbau

Weinbau ist in Südafrika mitnichten eine Modeerscheinung oder ’neuer Kram‘. Bereits 1659 wurde zur Versorgung der Seefahrer der erste Wein gekeltert. Das know-how kamzu Ende des 17. Jhd. als viele Hugenotten aus Frankreich Richtung Kap der Guten Hoffnung flüchteten (das Anbaugebiet ‚Fransschhoek‘ hat daher auch seinen Namen). In der neueren Zeit wurde es still rund um südafrikanischen Wein: aufgrund der Apartheidspolitik herrschte bis 1990 ein Handelsembargo. Erst mit der Freilassung von Nelson Mandela begann auch für den Weinsektor der wirtschaftliche Aufschwung.

Heute wird auf knapp 102.000 Hektar rund um die Kapregion Wein kultiviert. Dort, wo Atlantik und Indischer Ozean aufeinander treffen, herrschen ‚cool climate‘ Bedingungen; das Meer wird selbst im afrikanischen Sommer (Dezember/ Januar) nur 20° Cel. warm – oder besser gesagt – kalt…
Die starken Unterschiede zwischen Tages- und Nachttemperaturen sind ideal für den Weinbau. Die Beeren können lange ausreifen, ordentlich Zucker produzieren ohne dabei Hitzestress zu haben und bspw. dramatisch an Säure zu verlieren.
Von der Stilistik her sind die Weine eher ‚alte Welt‘: das Vorbild Frankreich mit dem Ausbau in Barriques ist geradezu omnipräsent. Vom Rebsorten-Spektrum hat Südafrika neben den ‚internationalen‘ Sorten wie Cabernet, Shiraz oder Merlot eine rote Besonderheit als Ass im Ärmel: der Pinotage.
Bereits im Jahre 1925 wurde diese Rebsorte an der Universität zu Stellenbosch erfolgreich aus den Sorten Cinsaut und Pinot Noir gekreuzt. Mit über 6000 Hektar ist Südafrika nach-wie-vor die weltweit bedeutendste Anbauregion für diese anspruchsvolle Rebsorte. Pinotage produziert relativ viel Zucker, ist daher auch im Alkohol um die 14% vol. angesiedelt. Häufig wird dieser Rebsorte nach gesagt, sie sei etwas ‚ruppig‘. Dies kann ich nicht bestätigen, vielleicht habe ich aber auch immer das Glück gehabt, nur auf qualitätsorientierte Produzenten zu treffen. Persönlich finde ich, dass die Rebsorte sehr gut den dosierten Ausbau im Barrique verträgt.

Drei rote Vertreter aus Südafrika

Bon Courage – Robertson Valley
Knapp 1,5 Autostunden östlich von Kapstadt (weit östlicher als bspw. Paarl oder Franschhoek) entfernt findet sich am Breede River das Anbaugebiet Robertson Valley. Umrahmt von Gebirgszügen und durch den Fluss mikroklimatisch beeinflusst, entstehen hier eher frische, nicht überladene Weine. Aus dem Weingut der Familie Bruwer hat es mir ganz besonders der Pinotage angetan: im gebrauchten Barrique gereift, überrascht dieser Wein mit butterweichen, hoch eleganten Tanninen. Den 2016er haben wir gerade ausgetrunken, aktuell verfügbar ist nun der 2017er Jahrgang.
Mit dem reinsortigen Cabernet Sauvignon sind wir hingegen noch im Jahrgang 2016. Unfassbar reine Frucht nach Cassis und Johannisbeere, ein Musterbeispiel an Sortentypizität. Ebenfalls 12-15 Monate in gebrauchten Barriques gereift. Mit € 9,50 je Flasche sind diese Weine auf diesem hohen Niveau nahezu unfassbar günstig. Sicherlich für uns Konsumenten im Euro-Land aktuell von Vorteil, dass die Währung ZAR im Wechselkurs weit von ihren Höchstständen entfernt ist (100 ZAR entsprechen ca. € 5,70).

Steenberg Estate – Steenberg
Südlich an das Anbaugebiet Constantia, kurz vor Beginn der Kap Halbinsel, schließt das kleine Weinbaugebiet Steenberg an. Sehr stark von der kühlen Meeresbrise geprägt, überraschen auch hier die Weine mit Eleganz. Steenberg verfügt über eine (teilweise dramatische) Geschichte bis zurück ins 17. Jahrhundert. Seit gut 15 Jahren gehören die vinery, das Luxus-Hotel nebst Golf-Club zu Graham Beck Estates (u.a. bekannt durch den hervorragenden Sekt).
Der Steenberg Stately Red Blend ist eine wirklich gelungene Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Shiraz (jeweils ca. 50%). Wieder schöne Cassis-Noten, die durch pfeffrig-würzige und erdige Syrah-Noten gepuffert werden. Kein Leichtgewicht, aber auch hier wieder eine grandiose Eleganz und ein saftig-animierender Nachgeschmack. Für € 11,90 die Flasche Glückseligkeit auf diesem internationalen Topp-Niveau auch wieder mehr als fair bepreist.

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