Galizien – wo die Reben nicht leiden

Stellen Sie sich vor, Sie wären eine weisse Weinrebe. Sie lieben zwar die Sonne, aber es sollte bitte nicht zu heiss sein. Früher fühlten Sie sich unter mediterranem Einfluss eigentlich recht wohl. Aber in den letzten Jahren? Nicht wirklich, das ist des Guten zuviel!
Und schon rücken geografische Gebiete in den Fokus, die vor 10-15 Jahren allenfalls eine Randnotiz wert waren. Galizien bspw. und hier das Anbaugebiet ‚Ribeiro D.O.‘ (als Orientierung die u.a. die Stadt ‚Ourense‘). Die Klima-Daten (Quelle: climate-data.org) sind fast identisch mit Dijon im französischen Burgund. Und das ist nicht gerade bekannt für schlechte oder preiswerte Weine ;-)

Im Vergleich dazu die Temperaturen und Niederschläge in Albacete in der Region Murcia, bereits in Höhenlage aber komplett mediterraner Einfluss.

Das ‚Problem‘ in Ribeiro: von ca. 2800 Hektar Anbaufläche im Jahre 2012 ist die Anbaufläche auf 1000 Hektar im Jahr 2023 regelrecht ‚abgeschmiert‘. Die Ursachen? Ein Fassweinpreis von 59ct je Liter scheint mir nicht unbedingt ein überzeugendes Argument für die junge Generation zu sein, nicht in die Großstadt zu ziehen (diplomatische Formulierung).

Rias Baixas versus Ribeiro

Ungleich bekannter dürfte das benachbarte Anbaugebiet ‚Rias Baixas‘ mit seiner Rebsorte Albarino sein. ‚Albarino‘ heisst übersetzt ‚die Weisse vom Rhein‘ – und man glaubte tatsächlich, es wäre ein über die Pilgerwege importierter Riesling. Pilgerweg ist auch das Stichwort: die Weine Galiziens sind nicht zuletzt durch die Popularität des Jakobweges verstärkt in die Wahrnehmung gerückt. Eigentlch muss es korrekt ‚Die Jakobwege‘ heissen, führen doch etliche Zuwege auf den Hauptweg. Und einer dieser Zuwege passiert die Region Frankfurt/ Mainz, so dass es theoretisch durchaus hätte sein können, dass bspw. eine Rheingau-Rieslingrebe nach Galizien ‚importiert‘ geworden sein könnte. Naheliegend wäre hier das berühmte Kloster Eberbach als Ursprung. Lassen Sie uns aber im Konjunktiv bleiben: DNA-Untersuchungen haben ergeben, dass Albarino eine komplett eigenständige Rebsorte ist, möglicherweise über 1000 Jahre alt und nichts mit dem Riesling ‚am Hut‘ hat.

Wikipedia CC BY-SA 3.0 Manfred Zentgraf, Volkach

Rías Baixas hat ganz klar den Schwerpunkt auf die Sorte Albarino gelegt. Die Weine werden überwiegend sortenrein ausgebaut und haben sich seit der Gründung der D.O. im Jahre 1988 einen festen Platz auf den Weinkarten dieser Welt erobert. Leider kennen hier die Preise nur eine Richtung: nach oben. Ca. € 15 je Flasche sollte man für ein würdiges Exemplar der Appellation schon einkalkulieren. Die was für mich auch ein Grund zu schauen, ob es Alternativen in Galizien gibt. Und siehe da: diese gibt es, und sogar in einer geschmacklichem Vielfalt, so dass ich Rías Baixas nicht so recht vermisse.

Ribeiro – mehr als eine Alternative!

Das Ribeiro liegt mehr im Landesinneren entlang der Flüsse Miño, Avia und Arnoia während die im Ausland ungleich bekanntere Region Rías Baixas direkt an die Atlantikküste anschließt. Während es in Rías Baixas mehr regnet und die Temperaturen kühler sind, ist das Landesinnere etwas trockener und auch wärmer. Dies ist ein großer Vorteil, insbesondere in ’schlechten Jahren‘, wenn der Albarino an der Küste nur schwer seine physiologische Reife erlangt und auf einer spitzen Säure stehen bleibt. Ribeiro hingegen ist mehr für seine Rebvielfalt, gerade auch bei den weissen Sorten, bekannt. Immer noch liegt der Anteil Weißwein bei 85%. Die weißen Rebsorten werden häufig zu Cuvée verschnitten, was eine wunderbare Vielfalt ergibt. Treixadura ist die am meisten angebaute Sorte. Super interessant sind zudem Godello und Torrontes. Torrontes habe ich interessanterweise zunächst über den Umweg ‚Wein aus Argentinien‘ kennen gelernt. Dort ist diese weiße Rebsorte die No. 2 nach Chardonnay. Torrontes hat in ihrer Ahnentafel den Muscat d‘ Alessandrie, also den ‚Ur-Ahn der Muskateller‘. Somit darf man sich auch nicht über florale und fruchtige Aromen wundern, ich nenne sie gerne ‚blumige Zitrusaromen‘. Reinsortig kann das manchmal des Guten zuviel werden, als Blend oder Cuvée ist das aber einfach nur ‚Wow!‘ Ein wichtiger Faktor sind auch die Böden bzw. die Vielfalt der Bäden: von sandigen Lehmböden über Granit und Schiefer ist hier nahezu alles am Start. Nicht umsonst glänzen die Weine durch ihre mineralische Noten.

Historie:
  • Ribeiro ist eines der ältesten Weinbaugebiete Spaniens mit einer Tradition, die bis in die römische Zeit zurückreicht.
  • Im Mittelalter erlebte der Weinbau in der Region einen Aufschwung, besonders durch den Export nach England.
  • 1932 erhielt Ribeiro den Status einer geschützten Herkunftsbezeichnung (Denominación de Origen).
Klima:
  • Atlantisches Klima mit kontinentalen Einflüssen
  • Milde Winter und warme Sommer
  • Hohe Niederschlagsmengen (durchschnittlich 950-1000 mm pro Jahr)
  • Mikroklima in den Flusstälern begünstigt den Weinbau
Besonderheit der Böden:
  • Vorwiegend granithaltige Böden
  • Sandige und kiesige Struktur mit guter Drainage
  • Stellenweise Schieferböden
  • Die Böden sind generell arm an organischem Material, was die Reben zu tiefen Wurzeln zwingt
Heilige Türe!

‚Puerta Santa‘ – das müsste übersetzt ‚heiliges Tor‘ oder ‚heilige Türe‘ heissen, oder?

Egal – widmen wir uns dem Wein: wir sind im Nordwesten Spaniens, in Galizien. Wir befinden uns auf sandigen Lehmböden. Hier wachsen die Rebsorten Treixadura und Torrontes, die der ‚heiligen Türe‘ wunderbar frische Zitrusaromen verleiht. Dazu leichte Blütennoten (Veilchen, Rose?). Im Mund sehr schon cremig, guter Extrakt und eine wunderbare frische, leicht salzige Note. Nur 12,5% Alkohol sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Wein eher kräftig und sehr vollmundig ist. Vorbildlich: über den QR- Code können Sie die Deklaration der Inhaltsstoffe via smartphone abrufen! Der Wein enthält 0,3g Zucker je 100ml – also 3g je Liter. Das ist richtig herrlich trocken, der 85% Anteil Treixadura gibt aber sehr viel Schmelz und Extrakt. 15% Torrontes genügen vollkommen zur aromatischen Abrundung. Toller Wein!

‚Puerta Santa‘ Ribeiro D.O. Torrontes y Treixadura 2023 – Bodegas Campante (€ 10,90/ Flasche)
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