Die großen Namen der Weinwelt sind ein sicherer Anker in der weiten und breiten Weinwelt. Bordeaux, Barolo, Rioja, Chateauneuf-du-Pape. Hier ist Genuss garantiert. Oder etwa doch nicht? Ist die Frage einfach zu beantworten? Gibt es ein klares ’schwarz oder weiss? Ich bin ehrlich: ich bin bei der Farbe grau.
Sind die Appellationen noch zeitgemäß?
Für jede berühmte und historische Appellation hat sich im Laufe der Zeit ein sog. ‚Disziplinar‘ entwickelt. Hier sind u.a. festgelegt, welche Traube verwendet werden dürfen, wo diese herkommen müssen, wie hoch der Ertrag je Hektar maximal sein darf, wie lange der Ausbau erfolgen muss – und in welchen Gebindegrößen. Dies hatte -historisch betrachtet- stets die Verbesserung der Produktqualität im Fokus.
Der Klimawandel und seine Folgen für den Wein
Nehmen wir als Beispiel die Appellation ‚Chateauneuf-du-Pape‘ an der unteren Rhône, unweit der Papst-Stadt Avignon. Salopp könnte man sagen:der Papst kommt ins Schwitzen… ‚La Nerthe‘ war immer DIE Instanz für hochwertigen Chateauneuf-du-Pape. Der Toppwein “Cuvées des Cadettes“ stets begehrt, ein Wein, der plus/minus € 100 die Flasche taxiert. Im Glas ein imposanter Wein, dicht gewoben, geradezu üppig. Ich bin ehrlich: mich ‚fixt‘ der Wein nicht an. Alkohol um die 15% Vol. Dazu Holznoten. balsamisch, fast schon Portweinnoten. Mir fehlt: die Trinkigkeit, mir fehlt die Eleganz, mir fehlt das Leckere. Nun kann man dem Weingut keinen Vorwurf machen. Es muss mit dem Arbeiten, was die Natur ihm in der definierten Appellation liefert. Vor 20, 30 oder 40 Jahren war der ‚warme Standort‘ noch ein strategischer Vorteil – heute hingegen würde man zweifellos alternative Standorte wählen.
Downsizing ist upsizing!
Es mag sich ketzerisch anhören: der Côtes-du-Rhône Villages von ‚La Nerthe‘ ist für mich der bessere Chateauneuf! Wenn man das überhaupt so sagen kann…
In dieser Appellation darf man auch auf Weinberge zurückgreifen, die etwas höher liegen, die weiter weg vom Glutofen am Fluss liegen. Zudem wird der Wein schlicht im Zementtank und im Edelstahl ausgebaut. Hier wird nicht auf maximale Extraktion geschaut, nicht auf Dichte oder Wucht. Im Mund ist dieser Wein saftig, weiches Tannin, keine störende Holznote. Der Wein wirkt frisch, der Anteil an Mouvedre (in Spanien: Monastrell) verleiht Frische und Frucht. Der Syrah: sortentypisch hoch drei, keine Maskerade durch das Holz. Ja, auch dieser ‚La Nerthe‘ hat seinen Preis, aber mit unter € 20,00 die Flasche ein Bruchteil dessen, was die großen Geschwister kosten. Der Wein nimmt mich auf Anhieb mit an die Rhône, Erinnerungen an die Ortschaften und den Mont Ventoux ploppen auf. Lecker. Manchmal ist weniger eben eindeutig: mehr!
‚Les Cassagnes‘ Côte-du-Rhône-Villages‘ AOP 2021 (Grenache/ Syrah/ Mourvedre), 14% Vol. – Bio – Euro 18,90/ Flasche